Eine der faszinierendsten Studien zur Alzheimer-Krankheit ist die sogenannte Nonnenstudie. Amerikanischen Forschern war aufgefallen, dass Nonnen oft erheblich älter werden als die übrige Bevölkerung, aber der Prozentsatz an Altersdemenz bei ihnen weit unter dem üblichen Maß liegt. Eigentlich wollten sie bei den 678 ausgewählten Nonnen nur herausfinden, wie sie gelebt haben und ob sie bis zu ihrem Tod noch geistig fit waren. Nach ihrem Tod hat man mit deren vorherigem Einverständnis das Hirn auf die gefürchteten Anzeichen der Alzheimerkrankheit untersucht, um wissenschaftliche Rückschlüsse zwischen ihrem für die Studie aufgezeichneten Lebenslauf und der Krankheit ziehen zu können. Wikipedia: Nonnenstudie
Eine der Nonnen, Schwester Bernadette hatte zu Lebzeiten keinerlei Demenzerscheinungen. Zu aller Überraschung hat die Untersuchung ihres Gehirns nach ihrem Tod ergeben, dass es mit Plaques übersät war und nach den Gewebeproben zu urteilen, war sie eine schwer demente Frau: quasi ohne Gedächtnis und im Endstadium von Alzheimer. Und trotzdem: Bis zu ihrem Tod war sie geistig rege und übte ihre anspruchsvollen körperlichen Tätigkeiten aus. Niemand, auch sie selbst nicht, merkte etwas von einer Krankheit.
Weitere Fälle
Nach der Überraschung bei Schwester Bernadette wurden noch viele ähnliche Fälle mit Schwestern entdeckt, die trotz geschädigter Gehirne geistig gesund waren. Der Zusammenhang zwischen den Plaques und der Demenz war in Frage gestellt.
Kritik: Auf halbem Weg stehen geblieben
Dass die Nonnen aus dem Orden der Schwestern von Notre Dame in den USA für eine Studie ihre Gehirne zu Forschungszwecken zur Verfügung stellten, ist ungewöhnlich genug. Dass die Studie dabei den bis dahin geltenden Zusammenhang von Plaques und seniler Demenz erschütterte, war eine Sensation. Das Forschungsteam, hatte etwas Entscheidendes entdeckt: selbst eine Unzahl von Eiweißablagerungen und ein schrumpfendes Gehirn bedingen nicht zwingend Alzheimer. Eine Meldung also, die noch heute von großer Bedeutung ist.
Das hätte damals schon die entscheidenden Erkenntnisse liefern können, wie Demenz nach einem ungesund geführten Leben verhindert werden kann. Doch sie sind gescheitert. So bahnbrechend die Erkenntnisse waren, so unvollständig waren die Folgerungen daraus. Die Macher der Studie sind auf halbem Weg stehen geblieben. Auf die Frage, wie es den Nonnen gelungen ist, geistig fit zu bleiben, wurde einfach nur alles zusammengetragen, was das Leben der Nonnen ausmachte.
Leben wie die Nonnen?
Gartenarbeit, Gemeinschaft, gesundes Essen, der Glaube und das tägliche Gebet, ihre Lehrtätigkeit, die Pflege kranker Mitschwestern, Gespräche, Singen und anderes mehr. Da ist vieles dabei, was nicht zu schaden vermag, wirklich geholfen hat es aber niemandem, denn die Lebenswirklichkeit der Menschen ist eine andere.
Die Studie muss sich den Vorwurf gefallen lassen, keine Verbindung zwischen der geistigen Fitness der Nonnen und ihren körperlichen Aktivitäten im Alter hergestellt zu haben. Statt aufzulisten, wie ihr Leben verlaufen ist, wäre es hilfreich gewesen, die Regsamkeit der Nonnen im Alter festzuhalten: wie sie sich bewegten, ob sie evtl. Sport getrieben haben und ob ihre alltäglichen Verrichtungen mehr oder weniger Konzentration erforderten.
Diese Aufzeichnungen über jede einzelne Nonne, verglichen mit den Feststellungen bei der Untersuchung ihrer Gehirne, hätten wertvolle Grundlagen für viele weitere Alzheimerforschungen liefern können. So aber blieb die Frage nach einem möglichen Zusammenhang zwischen Bewegung und Demenzvermeidung unbeantwortet.
Der logische Trugschluss bei Schwester Bernadette
Im Übrigen, vom Lebensstil von Schwester Bernadette darauf zu schließen, warum sie nicht dement wurde, ist nicht logisch. Sie hat offensichtlich gerade nicht wie eine Nonne gelebt, sonst wäre ihr Gehirn nicht von den Eiweißablagerungen übersät gewesen. Dass sie trotzdem zu der Zeit, als ihr Gehirn bereits geschädigt war, geistig fit geblieben ist, wirft die Frage auf, wie vielseitig und anspruchsvoll sie sich in ihren letzten Lebensjahren bewegt hat. Daraus hätte man dann schließen können, was im Alter nach einem ungesund geführten Leben nötig ist, um geistig fit zu bleiben.
Alzheimerforschung müsste also zweigeteilt sein: Erstens, wie soll man leben, um Plaques im Hirn zu vermeiden? Und zweitens, was kann man im Alter tun, damit Plaques im Hirn keinen Schaden anrichten?
Fazit: die Studie war ein Meilenstein zur Lösung der Fragen zur Alzheimer-Demenz, sie lieferte aber nicht die Lösung selbst.
1David Snowdon (Leiter der Nonnenstudie) : Lieber alt und gesund – Dem Altern seinen Schrecken nehmen (Blessing-Verlag)
In diesem Abschnitt wird aufgezeigt, was bisherige wissenschaftlichen Studien ergeben haben und was noch untersucht werden sollte. Obwohl im Alter viele bereit sind, sich für ihre geistige Gesundheit zu verausgaben, gibt es keine Studien mit Teilnehmern, die statt ihre Ausdauer regelmäßig ihre koordinativen Fähigkeiten trainieren. Im abschließenden Fazit wird beschrieben, wie zukünftige Studien zu diesem Gegenstand aussehen könnten.
Beispiele von Menschen, die sich wenig bis gar nicht bewegten, kennt jeder. Besonders zu nennen wäre der Astrophysiker Stephen Hawking. Bei ihm hat es die Natur auf die Spitze getrieben. Jahrzehnte lang war er vollkommen bewegungsunfähig, aber seine Geistesgröße war schier unvorstellbar. Ist damit die eingangs genannte Hypothese, wonach die körperliche Bewegung die Quelle des Geistes ist, hinfällig? Gibt es zwischen Körperkoordination und der kognitiven Leistungsfähigkeit des Menschen also doch keinen Zusammenhang?
Als Kind kein Stubenhocker
Stephen Hawking wurde im Januar 1942 geboren. Kurz vor seinem einundzwanzigsten Geburtstag stellten die Ärzte bei ihm eine unheilbare Erkrankung des Zentralnervensystems fest. Es kam zu der von den Ärzten erwarteten Degeneration der Muskulatur. Falsch lagen die Ärzte mit ihrer Prognose, dass die Krankheit schon nach wenigen Jahren tödlich enden würde.
Als Jugendlicher war Stephen Hawking sportlich sehr aktiv. In der renommierten St. Albans School brachte er es zum Steuermann des Achters. Erst mit Anfang zwanzig zeigten sich erste Lähmungserscheinungen. Ab dem sechsundzwanzigsten Lebensjahr war er an den Rollstuhl gefesselt. Warum Stephen Hawking geistig fit geblieben ist, bleibt eine Spekulation: Als Erklärung bietet sich an, dass er gesund gelebt hat oder er zu den Menschen gehörte, die nicht zur Plaquesbildung neigen. Dass er dann nach fast fünfzig Jahren ohne Bewegung immer noch klar denken konnte beweist, geistige Fitness im hohen Alter ist auch ohne Sport möglich.
Das Beispiel Stephen Hawking zeigt allen und besonders jenen, die körperlich eingeschränkt sind, sich im Leben möglichst gesund zu ernähren, nicht über die Stränge zu schlagen, sich geistig zu fordern und Kontakte zu pflegen.
2. Dement trotz Bewegung
Zu glauben, mit viel Bewegung gegen Demenz gefeit zu sein, ist ein Irrglaube. Oft wird berichtet, dass ein guter Bekannter doch täglich mit dem Hund spazieren gegangen ist. Und im Sommer ist er Rad gefahren und hat durchaus auch koordinativ anspruchsvollen Sport getrieben. Trotzdem sei er dement geworden. Ist demnach die Bewegung doch kein Garant, die Demenz zu verhindern?
Bei der Frage „dement trotz Bewegung“ sind zwei Einflussfaktoren zu beachten:
1. Wie stark ist die individuelle Plaquesbildung?
2. Wie viel und welche Art der Bewegung wurde der Demenz im Alter entgegen gesetzt?
Wollte man untersuchen, warum beim genannten Beispiel der Betroffene dement geworden ist, müsste man diesen Fall im Detail untersuchen: welche Schäden sind im Gehirn in dessen Leben eingetreten und was hat er diesen Schäden entgegengesetzt. Eventuell ist er ein Beispiel dafür, dass der Plaquesbefall sehr groß war und im Verhältnis dazu die koordinativen Aktivitäten zu wenig vielfältig waren. Jedenfalls ist jeder Fall anders und das Gehirn ist zu komplex organisiert, um mit Einzelbeispielen etwas beweisen zu können.
Drei Arten sich zu bewegen, sind zu unterscheiden:
1. Stressfrei: Sport und Bewegung im stressfreien Bereich: Diese Art, sich zu bewegen ist für ältere Menschen geeignet, die von senilen Plaques wenig oder nicht betroffen sind. Spazieren gehen und leichte sportliche Aktivitäten sind natürlich für die körperliche Gesundheit immer zu empfehlen. Aber, wer nicht zu Plaques neigt, bleibt geistig fit auch ohne Sport.
2. Mäßiger Stress: Das sind sportliche Aktivitäten, die sowohl dem Körper als auch dem Geist mäßige Anstrengungen abverlangen. Diese Art ist für alle geeignet, die gesund gelebt haben, aber “zur Vorsicht” etwas tun wollen. Regelmäßig aktiv sein, gehen oder laufen im unwegsamen Gelände, leichte Bergwanderungen oder Skilanglauf im Winter sind zu empfehlen. Dazu noch Übungen, die auch die Balance fordern.
3. Stress betont: Sport und aktive Bewegungseinheiten mit Bewegungsstress, der insbesondere das Hirn fordert, ist für all jene zu empfehlen, die bereits Symptome von Demenz spüren oder eine Diagnose der Krankheit im Frühstadium erhalten haben. Stress betonte Übungen, die heilsam die Neuroplatizität des Gehirns anregen sind individuell, möglichst von geeigneten Therapeuten zu erarbeiten. Beispiele sind: Balancieren, Klettern, Tanzen oder fordernde Bergtouren.
3. Geistige Fitness auch durch geistige Anstrengungen?
Soll man Rätsel lösen und Vokabeln lernen?
Neben diesen Gegenbeispielen gibt es auch noch den generellen Einwand, dass es zu einseitig ist, Bewegung als einzige Möglichkeit zum Erhalt der geistigen Gesundheit im Alter anzusehen. Die Behauptung, ohne Bewegung sei die Demenz vorprogrammiert, löst viel Widerspruch aus: “Netzbau gibt es auch durch geistige Anstrengungen”.
Untermauert wird der Einwand stets damit, dass auch geistige Herausforderungen positive Wirkungen auf den Erhalt der neuronalen Netze haben können: Memory, Sudoku, eine Sprache lernen, Puzzles machen, seine Biographie schreiben, Gedichte lernen, Musik komponieren, Schach spielen und, und, und.
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Durch kognitive Herausforderungen der Demenz begegnen zu können, ist ein allgemeiner Irrglaube. Sich geistig auch noch so zu fordern kann niemals den Schaden auch nur eines senilen Plaques beheben.
Der Ausdruck „Denksport“ ist irreführend. Denken und Sport treiben sind für das Hirn zwei vollkommen unterschiedliche Vorgänge: der Sport schafft die Netzverbindungen, das Denken dagegen nutzt sie (nur). Wer also gesund gelebt hat und keine schadhaften Stellen im Hirn zu befürchten hat, dem reicht es allemal, die bestehenden Netze durch geistige Herausforderungen stabil zu halten.
Der endgültige wissenschaftliche Beweis, dass nur Bewegung Demenz verhindern kann, steht noch aus. Aber wie die Kindern in ihren ersten Jahre die Netze für das Gehen, Radfahren, Schwimmen etc. bauen und erweitern, beweist, wie neuronale Schaltkreise entstehen: erst durch die Bewegung selbst. Und dass man schadhaften Stellen im Gehirn nur durch Bewegung begegnen kann, zeigt die Behandlung von Schlaganfallpatienten. Sie können bestätigen, dass sie niemals durch kognitive Herausforderungen, sondern nur durch Bewegung und ständigem Wiederholen wenigstens einen Teil ihrer Gesundheit wieder erlangt haben.
Beides, Sport treiben und sich kognitiv fordern, das ist der Königsweg für körperliche und geistige Fitness bis ins hohe Alter.
Adenosin-Triphosphat (ATP), braucht der Mensch zum Bäume ausreißen und damit der Geist sprudelt. ATP, das ist die energiereichste Substanz, die der Körper hat und er produziert es aus dem, was wir essen. Ein kräftiges Frühstück wandelt er in diese Substanz um und stellt sie den Muskeln und dem Gehirn über den Tag für ihre Aktivitäten zur Verfügung.
Adenosin (A), das ist die Substanz für den süßen Schlummer. Und für einen Schlaf, der uns in der Früh wieder körperlich fit sein lässt und das Gehirn so aufräumt, dass es wieder leistungsfähig ist. Mehr noch: alles was das Hirn am Vortag an Eindrücken, Informationen und körperlichen Herausforderungen bewältigen musste, wird so verarbeitet, dass es zukünftig zur Problemlösung zur Verfügung steht. Und dabei gilt: Neues Wissen wird zu Beginn der Nacht verankert. Das Lernen neuer Bewegungsabläufe hingegen findet eher in der zweiten Nachthälfte statt.1
Der Schlaf ist also das Mittel, den Tag zu bestehen. Bloß, um den erholsamen und ausreichenden Schlaf ist es bei vielen schlecht bestellt. Ein Grund dafür könnte sein, dass abends dem Körper Adenosin fehlt. Dabei ist es ganz einfach: im Laufe des Tages muss er bloß das Adenosin-Triphosphat (ATP) in Adenosin (A) umwandeln, indem er das Triphosphat (TP) abbaut. Und abgebaut wird es – wie könnte es anders sein – durch Bewegung und die Aktivitäten des Tages.
„Adenosin fällt als Abbauprodukt des energiereichen Adenosintriphosphats (ATP) an, das von den Körperzellen für die unterschiedlichen biologischen Prozesse verbraucht wird. Je höher dadurch die Adenosin-Konzentration steigt – je mehr Energie die Zellen also verbrauchen – desto mehr nimmt der Schlafdruck zu. Beim Schlafen wird Adenosin wieder ab- und ATP aufgebaut. Der Schlafdruck sinkt wieder. Dieser Kreislauf beginnt am Folgetag von neuem.“ (Gesunder Schlaf Wikipedia: Adenosin)
So einfach macht sich das der Körper:Das Frühstück verwandelt er morgens in Energie unddiese verwandelt er tagsüber mittels Bewegung in ein Schlafmittel
Noch vieles könnte genannt werden, besser schlafen zu können: am Abend wenig essen und statt vor dem Fernseher zu liegen noch einen kleinen Spaziergang machen. Schon das Sprichwort weiß es, wie das Essen über den Tag verteilt werden sollte: morgens wie ein König und abends wie ein Bettelmann. Und vor allen Dingen sollte man beim Einschlafen an etwas Schönes denken. Etwas, das der Tag gebracht hat oder etwas, das der nächste Tag bringen wird.
Die schönen Seiten des Schlafes entdecken: sich wohlig einkuscheln und mit einer schönen Erinnerung des Tages loslassen.
1 Ratgeber für einen guten Schlaf gibt es viele. Zu empfehlen ist das Buch „Erfolgsfaktor Schlaf“ von Dr. Martin Schlott. (Ariston Verlag).
Müll wird entsorgt und die Werkstatt erneuert das Netz
Unser Gehirn, einmal wohlwollend betrachtet, hat doch sehr viel Geduld mit unserem liederlichen Lebenswandel. Viele, leider viel zu viele haben „normal“, also ungesund gelebt. Mit fortgeschrittenem Alter haben sich im Gehirn unzählige Plaques gebildet und in der Folge führt dies zum beginnenden Gehirnschwund. Doch das Gehirn gibt nicht auf, es gibt uns noch Jahre Zeit, die es zu nutzen gilt. Erst nach Millionen weiterer Plaques macht es schlapp und gibt sich der Demenz hin.
Statt durch Bewegung Material für die Werkstatt, liefern wir dem Hirn wertlose Fernsehbilder für die Müllabfuhr
Wenn wir schlafen und das aktive Bewusstsein ausgeschaltet ist, macht sich das Hirn an seine heilsame Aufgabe. Für seine nächtliche Arbeit stehen dem Hirn zwei betriebliche Einrichtungen zur Verfügung: die Werkstatt und die Müllabfuhr. In der Werkstatt werden alle Bewegungen des vorangegangenen Tages gebraucht, um die Arbeiten zur Erneuerung, Erweiterung und Stärkung der Netze auszuführen. Alles was am Tag an Bewegung koordiniert werden musste, verwendet das Gehirn, sich selbst immer gebrauchsfähig zu halten.
Bei dieser heilsamen Arbeit an sich selbst, unterscheidet das Gehirn drei Arten der Bewegung. Die regelmäßigen Bewegung, wie das Gehen, werden zur bloßen Stärkung des vorhandenen, möglchst intakten Netzes verwendet. Die koordinativ fordernden Bewegungen verwendet es zur Erneuerung des da und dort schon lückenhaften Netzes. Und ganz neue Arten der Bewegung, also wenn man im Alter noch auf ein Skateboard steigen würde, werden zur Bildung neuer Netze genutzt. Und das alles in der Nacht, ohne dass wir es merken.
Alles wird gebraucht
Die Werkstatt des Gehirns ist sehr daran interessiert, möglichst viel Material an allen der drei Bewegungsarten zu bekommen. Besonders aber solche Bewegungen, die komplex zu koordinieren waren.
Und noch eines, die „Werkstatt“ im Hirn arbeitet just in time. Ohne Bewegung am Tag, bleibt in der Nacht die Werkstatt zu.
Im Tiefschlaf kommt die Müllabfuhr
In der Müllabfuhr dagegen landet alles, was zur Gehirnerneuerung nicht benötigt wird. Vor allen Dingen sind das Nacht für Nacht die unzähligen Bilder und Eindrücke des Tages. Hierzu gehören auch Stoffwechselprodukte, die im Laufe eines Tages sich anhäufen. Ohne Schlaf würde es mit viel Energieaufwand auch das Nutzlose speichern und zuletzt würde es wegen Überfütterung förmlich platzen. Allenfalls solche Bilder und Erinnerungen des Tages, die sehr eindrucksvoll oder mit starken Emotionen verbunden waren, werden abgespeichert. Die hierfür von der Evolution entwickelte Müllabfuhr wird glymphatisches System genannt. Man muss sich das als eine Art Förderband vorstellen, auf der die Stoffwechselschlacken abgeladen und dann aus dem Gehirn transportiert werden. Es funktioniert besonders effektiv in der Tiefschlafphase.
Nutzloses wird entsorgt
Wenn wir in Rente gehen, freuen wir uns erst mal darüber, endlich viel Zeit für uns selbst zu haben. Doch leider machen wir viel zu wenig daraus. Von den wenigen Stunden, die wir wach und nicht mit Essen und Besorgungen beschäftigt sind, verbringen wir im Schnitt die Hälfte untätig vor dem Bildschirm: statt durch Bewegung Arbeitsmaterial für die Werkstatt zu liefern, liegen Rentner am Sofa und beliefern ihre graue Hirnmasse mit unzähligen nutzlosen Bildern.
Schlafen können!
„Zur Stärkung der neugebildeten Nervenverbindungen und für die Nachhaltigkeit der Gehirnerneuerung ist erholsamer Schlaf essentiell.In der Behandlung von Schlaganfallpatienten stehen deshalb Stressreduktion, effektive Schmerz- und Depressionsbehandlungen sowie Entspannungs- und Achtsamkeitstraining zur Verbesserung der Schlafqualität im Zentrum des Behandlungskonzepts.“ (Zitat: Medical Park Loipl)
Die Frage, wann Bewegung koordinativ anspruchsvoll ist, ist einfach zu beantworten: je nach dem! Erst einmal, jede Bewegung ist vom Gehirn zu koordinieren, aber in der Regel macht es das automatisch. So wird das Gehen, Schritt für Schritt, ein Leben lang vom Gehirn koordiniert ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Wenn das Kleinkind aber zum ersten mal ein paar Schritte hin zu Mutter gehen will, ist das eine sehr anspruchsvolle Herausforderung und für die ganze Familie ein Ereignis.
Definition
Allgemein formuliert kann man sagen: Bewegung ist anspruchsvoll, wenn sie Koordination erfordert, für die es im Gehirn kein oder kein gut ausgebildetes neuronales Netz gibt. Im Kindesalter ist erst einmal jeder Bewegungsablauf herausfordernd, aber einmal gelernt, dann für Jahrzehnte wenig anspruchsvoll. Wenn nach einem langen Leben die für das Alter typischen Schädigungen im Gehirn eintreten, dann werden, Jahr für Jahr mehr, diese einmal gelernten Abläufe erneut koordinativ anspruchsvoll.
Gleichzeitig
Grundsätzlich gilt auch, je mehr Bewegungselemente gleichzeitig ausgeübt werden sollen, erfordert dies eine gute Abstimmung zwischen den verschiedenen Bewegungselementen und der Anspruch für das Gehirn potenziert sich mit jeder jedem weiteren. Auf dem linken Bein stehen und mit dem rechten Knie im Uhrzeigersinn kreisen, ist machbar. Noch leichter fällt es, rhythmisch mit dem linken Arm gegen den Uhrzeigersinn kreisen. Wenn aber gleichzeitig das rechte Knie und der linke Arm gegengleich kreisen sollen, wird es für das Koordinationsvermögen anspruchsvoll. Ein gutes Beispiel für unterschiedlich und gleichzeitig ist das Spielen auf dem Klavier, wenn die Finger der rechten und die der linken Hand zusammen agieren.
Sonderfall Schlaganfall
Im besonderen Fall eines Schlaganfalls kann es bereits höchst anspruchsvoll sein, den betroffenen Arm auf der vom Schlag betroffenen Seite wieder zu heben. Dazu bedarf es erfahrener Therapeuten, viel Ausdauer je nach Schwere der Schädigung im Gehirn gelingt es, wie ehedem den Arm wieder in der gewohnten Form zu benutzen. Beim Schlaganfall stellen sich demnach wieder jene Herausforderungen wie beim Kleinkind ein, nur dass es im Alter sehr viel schwieriger ist, sich neue bzw. sich erneut einst gekonnte Bewegungsabläufe anzueignen.
Tanzen: Das Musterbeispiel koordinativer Bewegung
Aus der Perspektive des Gehirns stellt sich jede Bewegung stets so dar, dass sie entweder automatisch ausgeführt werden kann, oder sich eine Stresssituation unterschiedlichen Grades einstellt. Und Stress stellt sich immer dann ein, wenn das neuronale Netz nicht genügt, eine Bewegung in der vom Körper gewünschten Form auszuüben. Besonders ist das beim Gemeinschaftstanz mit komplexen Tanzschritten zu spüren.
Wenn im Rhythmus nach dem Takt der Musik und nach den von der Tanzlehrerin angesagten Schrittfolgen diese im Gleichklang mit den Mittänzern umgesetzt werden sollen ist das für das Gehirn eine besonders koordinative Herausforderung. Stress pur aber heilsam allemal.
Das Gehirn ist ein äußerst flexibles, sich ständig umformendes Netzwerk, das sich in Folge der täglichen Impulse aus dem sich bewegenden Körper durch Um- und Neuschaltungen so anpasst, dass es jederzeit die gewünschten Bewegungsabläufe ausüben kann. Bildlich gesprochen verändert das Gehirn sein Netz durch körperliche Bewegung so wie eine Wolke am Himmel, die einer leichten Brise ausgesetzt ist und dadurch ihre äußere Form und innere Struktur verändert.
Jeden Tag baut das Gehirn Verbindungen ab, weil sie nicht gebraucht werden oder weil sie in Folge eines ungesunden Lebens kaputt gehen. Jeden Tag schafft es aber auch neue Verbindungen und erneuert kaputt gegangene. In welche Richtung es geht, das wird ihm vom Organismus vorgegeben, das Gehirn führt es nur aus. Ob dabei das neuronale Netz langsam schwindet oder sich vergrößert und feiner gesponnen wird, ist nicht seine Sache, sondern die des Körpers.
Stimmt die Richtung?
Neuroplastologen sind Spezialisten, die dem Gehirn eines anderen Menschen zu seiner Gesundung eine Richtung vorgeben wollen. Es sind Wissenschaftler und Therapeuten, die kennen die Möglichkeiten der Neuroplastizität und setzen sie gezielt zur Erneuerung des Gehirns von Patienten ein.
Wollte man von diesen Therapeuten lernen, um für sich selbst dem Gehirn eine Richtung vorzugeben, muss man sich seiner Vorlieben bewusst werden: was kann ich, welche sportlichen Aktivitäten mache ich gerne und welche Bewegung macht mir Freude? Gleichzeitig werden aber auch die Defizite definiert: wo habe ich Schwierigkeiten, welche Aktivitäten und Übungen fallen mir schwer und was kann ich nicht mehr rhythmisch und fließend ausführen.
Die Regelmäßigkeit macht’s
Demenzvermeidung nach einem sorglos geführten Leben ist möglich. Es sind jene sportlichen Aktivitäten, die, wenn sie regelmäßig ausgeführt werden, ein starkes neuronales Netz herausbilden. So stark, dass körperliche Bewegung sicherer wird. Ganz egal, ob sich Kinder etwas aneignen wollen oder ob im Alter ein geschädigtes Netz erneuert werden soll, erst wenn der Bewegungsablauf „sitzt“, also automatisch abläuft, dann ist das ein gutes Zeichen für ein starkes neuronales Netz. Ein Netz, das bei Kindern die Voraussetzung für die Schule darstellt und im Alter die Basis für geistige Gesundheit.
Um sich das persönliche Bewegungsprogramm zusammenzustellen, wäre es hilfreich, sich fachlich unterstützen zu lassen. Eigentlich sollte der Hausarzt behilflich sein können, einen geeigneten Bewegungstherapeuten zu finden. Oder man wendet sich an ein Zentrum für klinische Neuroplastizität (ZKNP). Dort in den Therapieräumen sind die Spezialisten für „Gehirnerneuerung durch Bewegung“ zu finden. Wohin man sich wendet ist das eine, das andere ist, man muss motiviert sein. Motiviert, ab sofort regelmäßig dran zu bleiben.
Das Verb „neuroplastizieren“ steht in keinem Wörterbuch. Dabei macht unser Gehirn jede Nacht nichts anderes und sorgt mit dieser Tätigkeit dafür, dass es gesund und gebrauchsfähig bleibt.
Neuroplastizität ist der unbedingte Wille des Gehirns, Bewegung zu ermöglichen. Sie bewirkt die Erneuerung geschädigter Netzverbindungen durch Herstellung neuer Verbindungen um so die Funktionsfähigkeit des Schaltkreises zur Ausübung eines Bewegungsablaufs zu erhalten und diese Wirkweise ermöglicht geistige Gesundheit im Alter, auch nach einem sorglos und oftmals ungesund geführten Lebens.
Der wissenschaftliche Ausdruck „Neuroplastizität“ bezeichnet zunächst nur jenes Phänomen, das sich in den Gehirnen eines jeden Lebewesens tagtäglich beobachten lässt. Wortwörtlich könnte man es mit „Formbarkeit des Nervensystems“ übersetzen. Das riesige neuronale Netzgeflecht lässt sich demnach jederzeit den erforderlichen Gegebenheiten anpassen (formen). Bei rein kognitiven Gehirnaktivitäten findet keine Neuroplastizität statt. (siehe auch Wikipedia: Neuronale Plastizität)
Und welche Erforderlichkeiten das sind, entscheidet sich an Hand der Lebenssituation jedes Einzelnen. Ob das Kleinkind gehen oder der Mensch im Alter Tanzschritte lernen will, das Hirn “formt” die Schaltkreise entsprechend. Und mehr noch: “Das Gehirn ist nicht nur in der Lage, sich neu zu verdrahten, dies ist sogar seine normal Funktionsweise”. (Zitat: Norman Doidge, Neustart im Kopf, Campus-Verlag)
Jahrhundertelang galt das Gehirn als ein nicht wandelbares Organ. Waren die Schaltkreise nach der Kindheit erst einmal gebildet, gab es für deren Funktionsfähigkeit nur noch eine Richtung: abwärts! Für die Wissenschaft galt es als reine Zeitverschwendung, das System und deren Arbeitsweise auch nur zu untersuchen, bis es dann in den Sechzigern des letzten Jahrhunderts doch einmal jemand versuchte.
Erst einmal nur belächelt
Der US-Naturwissenschaftler Paul Bach-y-Rita und andere begannen in den Sechzigern des letzten Jahrhunderts, das Phänomen des wandelfähigen Gehirns zu erforschen und schufen dafür den Ausdruck „Neuroplastizität“. Für ihre Untersuchungen und den neuen Begriff wurden sie von den Kolleg*innen erst einmal nur belächelt.
Zwei Jahrzehnte später war das Phänomen eingehend untersucht und in der Wissenschaft so weit anerkannt, dass mit der praktischen Anwendung bei Menschen mit geschädigten Hirnregionen begonnen werden konnte. So wurde in den achtziger Jahren der Anwendung der Erkenntnisse aus der Neuroplastizität Tür und Tor geöffnet und natürlich waren es zuerst die Nachsorgeeinrichtungen von Schlaganfallpatienten, die sich der Möglichkeit bedienten, das Gehirn im positiven Sinne zu manipulieren.
Heute, also noch einmal drei Jahrzehnte später haben die Rehaeinrichtungen aus ihrer täglichen Praxis mit den Patienten beste Erfahrungen mit der Erneuerung geschädigter Gehirne und wenn man sich als interessierter Laie mit dem Thema Alzheimer befasst, wird man früher oder später davon fasziniert sein, welche Fähigkeiten unser Gehirn hat, bedarfsangepasst weiter fit und gebrauchsfähig zu bleiben.
Was ist Neuroplastizität?
Unter dem Begriff Neuroplastizität versteht man die Fähigkeit des Gehirns, seinen Aufbau und seine Funktionen so zu verändern, dass es optimal auf neue äußerliche Einflüsse und Anforderungen reagieren kann. Dabei werden beispielsweise neue Verbindungen zwischen einzelnen Nervenzellen (Synapsen) gebildet. Dies ermöglicht die Interaktion mit unserer Umwelt und unterstützt Lernvorgänge aller Art. Dank der Neuroplastizität des Gehirns können wir Instrumente und Sprachen erlernen oder uns neue Bewegungsabläufe antrainieren, um in sportlichen oder handwerklichen Tätigkeiten besser zu werden. Doch auch bei der Regeneration des Gehirns nach akuten Schädigungen spielt Neuroplastizität eine wichtige Rolle: Nur so können verlorene Fähigkeiten wiedererlangt werden.
1. WIE WIRKT SICH NEUROPLASTIZITÄT AUF DIE REHABILITATIONNACH EINEM SCHLAGANFALL AUS? Das menschliche Gehirn kann nachweislich bis ins hohe Alter wandlungs- und anpassungsfähig bleiben. Diese Fähigkeit zur Neuroplastizität sorgt dafür, dass Funktionen wiedererlangt werden können, die zum Beispiel durch einen Schlaganfall oder eine Hirnerkrankung verloren gegangen sind. Nach einer Schädigung des Gehirns wird deshalb möglichst schnell durch spezielle Therapieansätze versucht, die Neuroplastizität des Gehirns anzuregen und die Regeneration geschädigter Nervenzellen zu unterstützen.
2. WIE KANN NEUROPLASTIZITÄT IN DER SCHLAGANFALL-REHA GEFÖRDERT WERDEN?Aktivierung der Neubildung von Nervenzellen: Untersuchungen ergaben, dass die Entstehung von neuen Nervenzellen im Gehirn besonders durch körperliche Betätigung gefördert werden kann. Über 80 Prozent der Leistungsfähigkeit des Gehirns können direkt durch sportliche Aktivitäten beeinflusst werden. Hierbei empfehlen sich regelmäßige und zielgerichtete Bewegungsübungen, mit welchen möglichst frühzeitig nach dem Schlaganfall begonnen werden sollte. Schutz der Nervenzellen auf dem Weg in geschädigte Hirnregionen: Bei einer akuten Hirnschädigung machen sich neugebildete Nervenzellen auf den Weg in das betroffene Gewebe. Allerdings sterben die meisten dieser Zellen nach kurzer Zeit wieder ab. Um dies zu verhindern, werden in der Schlaganfall-Reha Medikamente eingesetzt, die für möglichst günstige Bedingungen sorgen, damit neue Nervenzellen erfolgreich in geschädigte Hirnregionen integriert werden können. Förderung neuer Nervenverbindungen: Die gezielte Integration von neuen Nervenzellen in geschädigte Bereiche des Gehirns kann auch durch gewissenhaftes Üben gefördert werden. Zeigt ein Patient beispielsweise Lähmungserscheinungen an einer Hand, so wirkt sich regelmäßiges Fingertraining positiv auf die Neuroplastizität aus. Dabei ist besonders die Frequenz der Übungen entscheidend. Erst ab etwa hundert Wiederholungen kann mit der Ausbildung neuer Synapsen gerechnet werden. Allerdings kann auch schon die bloße Vorstellung der auszuführenden Bewegung Effekte erzielen. Verfestigung der neu gebildeten Synapsen: Die neu gebildeten Nervenverbindungen werden besonders in passiven Ruhephasen gestärkt. Deshalb tragen die Reduktion von Stress, unterschiedliche Entspannungsübungen und erholsamer Schlaf wesentlich zum Rehabilitationserfolg bei. In klinischen Studien führt auch der tägliche Hörgenuss von selbst gewählter Musik zu einer signifikanten Verbesserung der gemessenen Neuroplastizität.
Grundpfeiler dieses Konzepts sind fünf Komponenten: Die Grundpfeiler der Neuroplastizität: 1. Motivation (ein fester Wille) 2. Repetition (täglich/wöchentlich im Rhythmus) 3. Stimulation (einen/e Sportsfreund/in) 4. Fitness (Ausdauer, Kraft und Beweglichkeit) 5. Konsolidierung (Schlaf).
Das Gehirn ist eigentlich eine feste (gallertartige) Masse. Aber das Geistige, das darin stattfindet, gleicht eher einem luftigen Seidentuch. Und so wie ein Tuch sich mit jedem Lufthauch verändert, so verändert sich auch das Geistige, wenn es vom sich bewegenden Körper Impulse bekommt. Möglichst jene Impulse, die durch komplex zu koordinierenden Aktivitäten, wie das Tanzen, Yoga oder Musizieren entstehen.
Ist dann die Demenz nicht ein überschaubares Problem? Für jedes Plaque einen winzigen Bypass
Für das Problem der Altersdemenz sind die Erkenntnisse aus der Praxis der Schlaganfalltherapie von besonderer Bedeutung. Die Herausforderungen, die Folgen eines Schlaganfalls zu beheben oder zumindest zu lindern, sind riesengroß. Wie es gelingen kann, ist den Kliniken bekannt und die Therapeuten kommen zu einem eindeutigen Schluss: nur gezielte Bewegung und hoch frequentes Üben können helfen. Anderes, wie gesunde Ernährung, gemeinsames Singen oder Rätsel lösen ist hilfreich, aber entscheidend für den Erfolg der Therapie sind die individuell zusammengestellten Trainingseinheiten mit komplexer Bewegung. Und diese Erkenntnisse bei der Schlaganfallbehandlung zeigen eindrucksvoll, wie viele Möglichkeiten der Reorganisation auch das geschädigte Gehirn noch aufbringen kann.
Demenz ist demgegenüber eigentlich ein überschaubares Problem: Während beim Schlaganfall ein relativ großer Bereich betroffen ist und ganze Areale des neuronalen Netzes zerstört sind, sind es bei Alzheimer nur winzige Eiweißablagerungen in den unterschiedlichsten Regionen, die immer nur verhältnismäßig wenige Nervenzellen zerstören. Allerdings, auch wenige Lücken im Netz können, je nach dem, in welchem Areal des Gehirns sie auftreten, schon begrenzt Schäden verursachen und in Summe im Großhirn Schwierigkeiten beim Denken, bei der Orientierung oder Handlungsplanung verursachen.
Wie findet das Hirn die winzigen Störungen im Netz?
Für das Gehirn ist es möglich, die geschädigten Bereiche auszumachen. Hierzu gibt es eine bestimte Zellgruppe, die sog. Mikroglia fungiert gleichsam als eine „Polizei“ im Gehirn, die geschädigte Areal aufspürt, sie zunächst versucht zu isolieren und dann zu reparieren und mit Hilfe anderer Zellen zu erneuern. Fündig wird es, indem man sich auf komplex zu koordinierende Arten zu bewegen versucht. Wenn man sich bewegt und es klappt ohne weiteres, dann ist das Netz, das für den Ablauf dieser Bewegung “zuständig” ist, in Takt. Wenn es aber ein Bewegungsablauf ist, bei dessen Ablauf es nicht so gut klappen will, dann sind die Netzverbindungen lückenhaft. Ganz einfach: ein intaktes neuronales Netz im Gehirn macht einen intakten Bewegungsablauf und umgekehrt: ein gestörter, nicht intakter Bewegungsablauf zeugt von einem lückenhaften neuronalen Netz. Um ein solches wieder herzustellen, ist es erforderlich, diese Bewegungsmuster auszuüben. Und zwar so lange, bis das Netz wieder lückenlos ist. Hierbei steht Bewegung neben der körperlichen auch für die geistige Bewegung, was immer zu berücksichtigen ist, wenn kognitive Fähigkeiten beeinträchtigt sind.
Beispiel Tischtennis
Viele haben als Kinder Tischtennis gespielt, als Erwachsene aber nicht mehr. Wenn man im Alter dann die Zeit findet und es wieder einmal ausprobiert, klappt es zumeist nicht besonders. Jedenfalls nicht so, wie man es damals gekonnt hatte. Zu erklären ist das eigentlich nur, dass sich im Lauf des Lebens Schädigungen im neuronalen Netz angesammelt haben und mit ihnen die Fertigkeiten beim Tischtennis zum Teil verloren gegangen sind. Jetzt kommt es darauf an, dran zu bleiben und dem Gehirn regelmäßig die Impulse zu liefern, diese Schäden zu ersetzen und das neuronale Netz, das den Bewegungsablauf für das Tischtennisspielen koordiniert, zu erneuern.
Zeit für die Anwendung in der Demenzvorsorge
Wenn die Erkenntnisse über die Wirkweise der Neuroplastizität nicht nur in den Kliniken sondern zu Hause und bei jedem zur praktischen Anwendung kommt, dann könnte das nichts weniger als eine Wende zu einem Neustart im Kopf bedeuten. Alles was man vor der Erforschung der Neuroplastizität über Verlauf und Vermeidung von Demenz zu wissen glaubte, wird Makulatur. Sie zu Ende gedacht hat das Potenzial, die Entwicklung der Alterskrankheit des Geistes in der Gesellschaft zu stoppen.
Das menschliche Gehirn kann also bis ins hohe Alter wandlungs- und anpassungsfähig bleiben. Erst einmal betrachtet ist es eine unveränderbare gallertartige Substanz. Das geistige Geschehen darin ist dagegen sehr wohl veränderbar und gleicht eher einer Wolke, die sich unaufhörlich neu formt. Diese Fähigkeit zur Neuroplastizität sorgt dafür, dass jeder sein Gehirn nach den Schädigungen, die das Leben so mitgebracht hat, gezielt zur Erneuerung anregen und es in seiner Regeneration unterstützen kann.
Von der Praxis der Behandlung in den Kliniken zur individuellen Demenzprophylaxe ist es nur ein Schritt:
Um von der Praxis der Behandlung von Schlaganfallpatienten zu erfolgreichen Ansätzen bei der individuellen Demenzprophylaxe zu gelangen, ist es nur ein Schritt. Statt einen relativ großen geschädigten Bereich zu ersetzen, müssen bei der Demenz unzählige winzige weit verstreute Plaques „repariert“ werden. Aber auch wenn es sich um zwei ganz unterschiedliche Arten von Schäden im Gehirn handelt, der Ansatz sie auszubessern ist beides mal der gleiche: Gehirnerneuerung durch zielgerichtete Bewegung! Und für die Menschen wäre von großem Nutzen, wenn Forschung die vielfältigen Möglichkeiten des stets wandlungsfähigen Gehirns zur Vermeidung von Alzheimer untersuchte.
Die Erkenntnisse über die Wirkweise der Neuroplastizität haben das Potenzial, die Entwicklung bei der Alterskrankheit des Geistes zu stoppen
Schadhafte Bereiche im Gehirn zu therapieren und die Patienten wieder in die Lage zu versetzen, ihr gewohntes Leben wie vor dem Schlaganfall zu führen ist tägliche Praxis in den Reha-Einrichtungen. Jährlich erleiden rund 270 000 Menschen in Deutschland einen Schlaganfall in Form eines Hirninfarkts oder einer Hirnblutung. In beiden Fällen ist die Folge, dass bestimmte Hirnareale nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt werden. Ganze Bereiche von Nervenzellen und Verbindungen sterben ab und können weder geheilt noch reaktiviert werden, wenn nicht innerhalb der ersten Stunden nach Auftreten der Symptome eine entsprechende Behandlung durchgeführt wird, die in Krankenhäusern mit spezialisierter Schlaganfallstation zur Verfügung steht. Da der Schlaganfall – anders als der Herzinfarkt – in der Regel keine Schmerzen verursacht, kommen viele Menschen zu spät in die Klinik. Als Folge z.B. eines kompletten Schlaganfalls, der eine größere Hirnregion betrifft, sind dann über 2 Milliarden Nervenzellen, 8,5 Billionen Synapsen und ca. 7200 km Nervenfasern zugrunde gegangen, was einer Alterung des Gehirns von über 25 Jahren entspricht (JL Saver; Stroke. 2006 Jan;37(1):263-6.).
Gehen lernen nach dem Schlaganfall – anstrengend, aber möglich
Wenn die geschädigten Bereiche und die unzähligen zerstörten Verbindungen nicht mehr zur Verfügung stehen und so einfaches wie Gehen unmöglich geworden ist, dann gibt es nur eines: die ausgefallenen Funktionen müssen von anderen Hirnarealen und neu arrangierten Netzwerken übernommen werden. Die Grundlage dafür ist also die Bildung neuer Nervenverbindungen über auswachsende Fortsätze und Synapsen in den gesunden Hirnarealen. Dieser Prozess benötigt Trainingsfleiß, viel Zeit und verläuft erst einmal “chaotisch”. Durch die täglichen Übungseinheiten bilden sich viele neue Verknüpfungen, die aber wieder verkümmern, wenn sie nicht ständig erneut aktiviert werden.
Idealerweise wird durch ständiges Training der gestörten Funktionen erreicht, dass die “sinnvollen” Verbindungen aktiviert und stabilisiert werden.
Da das Gehirn genügend gesunde Nervenzellen hat und ein Leben lang lernfähig bleibt, können die Betroffenen zumindest einen Teil der Verluste ausgleichen. Nur ein Drittel der Patienten erholt sich vollständig. Bei anderen bleiben entweder weitreichende Behinderungen oder sie sterben in der Folge des Schlaganfalls. Aber, und das ist die positive Nachricht, anders als früher kann vielen geholfen werden und heute kennen die speziell ausgebildeten Therapeuten die Methoden dafür. Dabei nutzen sie die seit einigen Jahren bekannten Erkenntnisse über die „Neuroplastizität“.
Menschen im Alter, die ihre geistige Gesundheit nicht dem Zufall überlassen wollen, haben ein großes Interesse daran, welche Arten der Bewegung für ihre spezielle Situation besonders geeignet sind. Um als Einzelner besser verstehen zu können, wie Demenz zu verhindern sei, sollten deshalb von den Fachleute die unzähligen Arten der Bewegung in Kategorien eingeteilt werden. In Kategorien bezüglich ihrer Wirkung im Gehirn und dafür bieten sich exakt drei Kategorien an:
1. Bewegung die neue Netze baut
Beschreibung: Die Kategorie Netzbau kann man auch als die „Bewegung des Kindes“ bezeichnen. Es lernt alles neu und schafft sich damit die neuronalen Schaltkreise für das ganze Leben: Gehen, Radfahren, auf Bäume klettern, Balancieren, Tanzen und so vieles andere. Je mehr und je feiner die Netze gesponnen werden, desto leichter geht dann das Lernen.
Im Alter ist der Neubau von Netzen durch das Erlernen von Bewegung, die man nie konnte, ungemein schwieriger, aber möglich. Mit 60 Jahren mit dem Yoga anzufangen, sich auf der Slackline zu versuchen oder Tennis ganz neu zu erlernen, kostet Überwindung und viel Übung.
Wirkung:Die Wirkung von Netzbau im Gehirn ist in jedem Alter die gleiche: es werden neuronale Schaltverbindungen gebaut, die es zuvor nicht gab. Gebaut werden sie vom Gehirn, um die entsprechenden Muskeln so zu koordinieren, dass die Bewegungen wie gewünscht ausgeführt werden können. Für die kognitiven Eigenschaften bedeuten die neu geschaffenen Netze, dass der Horizont erweitert und der Geist beflügelt wird.
Anwendung:Netzbau betreiben Kinder automatisch, denn sie haben den natürlichen Drang sich zu bewegen und sich auszuprobieren. Weil dieser natürliche Drang mit zunehmenden Alter nachlässt, sollten alte Menschen sich stets die positive Wirkung der Bewegung auf Körper und Geist vergegenwärtigen.
2. Bewegung die bestehende Netze erhält
Beschreibung:Netzerhalt ist die Bewegung, die unsere Netze im alltäglichen Leben gesund erhält. Diese Bewegung der sechs Jahrzehnte zwischen Kindheit und Alter kann man auch als Kategorie „Bewegung des Alltags“ bezeichnen. Sie bewirkt im Detail den Erhalt und die Stabilität aller je gebauten Schaltkreise. Nur was regelmäßig genutzt wird, bleibt erhalten: „use it or lose it“.
Zum Netzerhalt braucht es also nur, dran zu bleiben und auch mit zunehmendem Alter wie bisher seinen täglichen Aktivitäten und den gewohnten sportlichen Herausforderungen nachzugehen.
Wirkung: Die Wirkung der alltäglichen Aktivitäten im Gehirn ist eine Stabilisierung der bestehenden neuronalen Netzverbindungen. Durch die ständigen Herausforderungen für das Gehirn zur Koordination von Bewegung und auch zur Lösung von geistigen Aufgaben bleiben die Schaltkreise im Kopf intakt. Nicht mehr und nicht weniger.
Anwendung:Bei der Bewegungsart Netzerhalt muss eine Einschränkung gemacht werden. Geeignet dafür, auch im Alter „nur“ Netzerhalt zu betreiben, sind ausschließlich solche Menschen, die gesund gelebt haben und deren Netze intakt sind.
3. Bewegung die geschädigte Netze erneuert
Beschreibung:Netzerneuerung ist die Bewegung, die unsere neuronalen Schaltkreise im Alter zu reparieren vermag. Als die Kategorie „Bewegung des Alters“ könnte man das bezeichnen, was im Alter wichtig wird. Spätestens mit Beginn der Rente geht es um’s erneuern des Gehirns..
So sorglos, wie man all die Jahre gelebt hat, hat es Spuren im Kopf hinterlassen. Bei manchen nur ganz wenige, bei anderen aber deutliche. Damit sich diese nicht zum Problem Altersdemenz auswachsen, gilt es, sich so zu bewegen, dass Netzerneuerung stattfindet.
Wirkung: Bei der Netzerneuerung wird das Gehirn so zur Koordination der Bewegung herausgefordert, dass es Schädigungen in den neuronalen Netzen behebt. Die bestehenden Schaltkreise werden nach Möglichkeit genutzt und überall dort, wo es Lücken gibt, wird das Gehirn gezwungen, neue Wege zu finden. Bewegung, die man auch als „heilsamen Bewegungsstress“ bezeichnen könnte. Was man an sportlicher Bewegung schon einmal gekonnt hat, lässt sich in einer Mischung an Herausforderungen wieder erlernen. Manches geht erst wieder nach langem intensiven Training, manches kommt wieder, allerdings erst mit kurzen aber regelmäßigen Einheiten.
Anwendung: Netzerneuerung ist allen dringend anzuraten ist, die sorglos gelebt und damit nicht nur im Körper, sondern auch Schäden im Gehirn verursacht haben. So können auch sie im hohen Alter noch geistige Fitness erhalten. Beides geht nicht: ungesund leben und im Alter träge werden.
Grafik Demenzgefahr
Der Bewegungsdrang (schwarze Linie) hält sich wenige Jahre und lässt dann Jahr für Jahr stetig nach. Jeder kennt das. Wenn dann noch das reale Leben zunehmend im Gehirn seine Spuren hinterlässt (rote Linie), dann kreuzen sich einmal die Linien und es öffnet sich die Schere (gelbes Feld) und für die geistige Gesundheit wird es zunehmend bedrohlich.
Spätestens aber mit 60 muss man sich entscheiden
Spätestens im Alter von 60 Jahren sollte man sich zum Thema Demenz Gedanken machen und sich Fragen stellen: Habe ich gesund gelebt oder durch Alkohol, Nikotin, Stress, wenig Bewegung und ungesundes Essen meinem Gehirn zu viel zugemutet? Gibt es Anzeichen von Demenz? Bewege ich mich sicher oder habe ich Probleme, die Balance zu halten? Ist die Vergesslichkeit noch vertretbar oder schon bedenklich? Viele Fragen, die man sich ehrlich beantworten sollte.
Je nach dem, wie die Diagnose für die eigene geistige Gesundheit ausfällt, mit Hilfe der Kategorien der Bewegung lässt sich stets eine geeignete Therapie mit täglichen Übungen finden. Wer im Leben vielen Risikofaktoren ausgesetzt war oder bereits Anzeichen von Demenz verspürt, sollte sich bei der Zusammensetzung der Aktivitäten einiges zumuten und sich besonders an die Kategorie Netzerneuerung halten. Wer gesund gelebt hat, kann relativ gelassen bleiben, bei ihm reicht es, bei der „Bewegung des Alltags“ dran zu bleiben. Wer den Ehrgeiz aufbringen möchte, sein geistiges Potenzial auch im Alter noch zu steigern, dem ist die „Bewegung des Kindes“, also Netzbau und Netzerweiterung anzuraten.