5-7. Netzerneuerung im Hochgebirge

Körperspannung, um die Balance zu halten

Hochgebirgstouren sind oft sehr anspruchsvoll und anstrengend. Nicht nur weil sie in der Regel sehr lange dauern. Anstrengend macht diese Wanderungen die Qualität des Untergrundes. Der Steig führt abwechselnd von leicht begehbar, über sandiges Geröll, steinigen Schotter, felsiges und grobsteiniges Gelände bis hin zu abschüssigem Gletscherschliff.


Konzentration bei jedem Schritt

Der Weg ist körperlich herausfordernd und für jeden Tritt ist geistige Konzentration zum Ausbalancieren des Körpers nötig. Um schmerzhafte Stürze zu vermeiden, braucht es viel Körperspannung, teils nur in den Beinen, oft zusammen mit den Bauchmuskeln bis hin zur Ganzkörperspannung, sobald auch die Hände mit zugreifen müssen.


Das besondere bei einer anspruchsvollen Bergtour ist, dass kein Schritt dem vorangegangenen gleicht und jeder einzelne muss vom Gehirn koordinativ komplex gesteuert werden. Jeder Schritt ist ähnlich zu steuern, doch jeder etwas anders. Und wenn das neuronale Netz nicht vollständig ausreicht oder einzelne Schaltkreise brüchig sind, dann kommt es wegen der Gefahr zu stürzen zu Stresssituationen im Hirn. Dass nach solchen Touren Körper und Geist müde sind, ist die natürliche Folge und unweigerlich fühlt sich der Geist herausgefordert, in der folgenden Nacht Gehirnerneuerung zu betreiben. Es könnte ja bald wieder eine solche Herausforderung kommen.

Das Ziel ist erreicht. Viele durch senile Plaques beschädigte Stellen wurden vom Gehirn nach der Tour, sprichwörtlich im Schlaf, selbst wieder in Ordnung gebracht. Was für ein Erlebnis, was für ein Ergebnis!

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5-6. Der Geländelauf, ein Trendsport für Ältere

Neuroplastizität durch heilsamen Bewegungsstress

Damit sich neue Nervenzellen bilden (Neurogenese) und diese sich über Synapsen mit weiteren Neuronen verbinden, um schließlich ein ganzes Netz zu schaffen, braucht das Hirn Anreize: Motivation, Wiederholung, Training und Konsolidierung sind für den Erfolg des Lernens wesentliche Voraussetzungen. Und besonders stimulierend für das Gehirn ist der „heilsame Bewegungsstress“.

Eigentlich gehört der Stress zu den Möglichkeiten, das Gehirn zu schädigen. Doch es gibt auch den gesunden, den heilsamen Stress für das Gehirn. Dabei wird es nicht von außen (psychisch) unter Druck gesetzt, sondern von den Muskeln des Körpers (physisch). Zwischen dem psychischen und physischen Stress gibt es für das Gehirn einen fundamentalen Unterschied: Schädigend der eine, heilsam der andere.

Heilsamer Bewegungsstress ist aber mehr als sich „nur“ zu bewegen. Er entsteht beim Sport immer dann, wenn zusätzlich die Balance gefordert ist. Wenn also für das Gehirn zur Koordinationsaufgabe noch die Gefahr, zu stürzen, hinzukommt. So herausgefordert, wird es zur Neuroplastizität förmlich gezwungen. Und zwar genau dort in der grauen Gehirnmasse, wo die neuronalen Verbindungen geschädigt sind. Stress also, der rundum gesund ist, weil er im Hirn für gezielte Erneuerungen sorgt.

Querfeld ein über Stock und Stein

Der Geländelauf war bei Kindern immer schon beliebt. Crosslauf, wie er auch genannt wird, ist „eine Variante des Laufsports, bei der das schnelle Durchlaufen von profiliertem Gelände abseits befestigter Wege im Vordergrund steht. Crosslauf ist gegenüber dem Straßenlauf oder dem Laufen auf der Bahn koordinativ anspruchsvoller“. (Wikipedia:Crosslauf)


Erst langsam und vorsichtig

Im Alter sollte der Geländelauf ein Trendsport werden. Tempo und Streckenlänge treten in den Hintergrund, wichtig ist, sich auf den Weg zu konzentrieren. Um Stürze und Verletzungen zu vermeiden, beginnt man auf weicherem Boden langsam und vorsichtig. Mit zunehmender Sicherheit kann es über Wurzeln gehen und steinig werden. Und wenn das Gelände sehr schwierig wird, einfach langsamer laufen oder ein Stück gehen. Das Ziel beim Geländelauf sollte immer sein, der Seele und dem Geist etwas Gutes zu tun.


Der Geländelauf, und das macht ihn so besonders, ist die ideale Kombination, um sowohl das Herz-Kreislauf-System, als auch das Hirn-Muskel-System zu stärken. Im Idealfall wird so gelaufen, dass sich bei der Atmung ein gleichmäßiger Rhythmus einstellt, der entsprechend der Bodenbeschaffenheit so variiert wird, dass man sich sicher fühlt und gleichzeitig Atmung und Puls gemäßigt bleiben.

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5-5. Der Waldspaziergang:

Wenn nach einem langen Regen die Sonne rauskommt, ist vielen ganz selbstverständlich, wieder nach draußen zu gehen. Oft dient das nur der Erbauung, man kann es aber auch dazu nutzen, sportlich etwas tun und gesund wird es besonders dann, wenn der Geist gleich mit gefordert wird und dafür bietet sich der nächstgelegene Wald besonders an.


Warum ausgerechnet im Wald?

Der Wald ist erst einmal eine Wonne für’s Gemüt. Die Seele entspannt sich, man richtet seinen Fokus auf andere Dinge: es riecht nach feuchter Erde, Harz und Moos. Das Laub raschelt und die Vögel zwitschern. Beim Laufen spürt man den weichen Boden unter den Füßen, die kühle Luft auf der Haut und in den Lungen.


Zu all dem geschieht bei jedem Schritt im Gehirn etwas für den koordinativen Geist. Bei jedem Auftritt muss er die Unebenheiten so ausgleichen, dass der Körper aufrecht und stabil bleibt.

Unsere Fußsohlen sind hoch sensibel

Die Fußsohle ist ein bemerkenswertes Teil unseres Körpers. Sie enthält eine Vielzahl von Rezeptoren, die wichtige Informationen an unser Gehirn übermitteln und so eine koordinierte Bewegung überhaupt erst möglich macht. Sie spüren alles, senden diese Informationen an das Gehirn und zusammen mit den Informationen aus dem vestibulären System (Gleichgewichtssystem) haben die Fußrezeptoren einen große Bedeutung für die Bewegungskoordination:

Jeder Stein, jeder Ast, jede Kante und noch so kleine Unebenheit, schließlich noch die Temperatur und ob es feucht ist, wird gemeldet und so wird das Gehirn mit einer Vielzahl von Daten beliefert. Daraus errechnet es dann blitzschnell die nötigen Signale an die beteiligten Muskeln. Der Waldspaziergang wird so zur intensiven Herausforderung für die kleinen Muskeln speziell im Fußgelenk und für das, die Schritte zu koordinierende Gehirn.

Anregung des Gehirns – fit in allen Lebenslagen

Der regelmäßig Waldspaziergang kann zur Quelle umfassender Gesundheit werden. In der frischen Luft auf natürlichem Boden, ohne Stöcke und barfuß oder in Barfußschuhen. Egal, der Wald bietet sich an, weil dort der Sauerstoffaustausch in den Zellen besonders angeregt und das Gehirn leistungsfähiger wird. Es wird die Konzentrationsfähigkeit gesteigert, die Seele ausgeglichener und die Tätigkeit des Gehirns bei jedem Schritt angekurbelt. So kann der gesamte Bereich des Kognitiven, die Gedanken und Gefühle gleich in einem auf eine angenehme Weise gesunden.

5-4. Der koordinative „Spaziergang“

Der erste Schritt zu den sportlichen Aktivitäten, die dem Gehirn die nötigen Impulse geben, sich zu erneuern, ist der sogenannte koordinative Spaziergang. Er beginnt damit, dass man sich sportlich kleidet: T-Shirt, Trainingshose, Turnschuhe, fertig. Sobald man das Haus verlässt, wird es im Verhältnis zum Spaziergang allerdings ganz anders. Nicht Schlendern, sondern ein forscher Schritt ist angesagt. Und auch das wäre noch zu wenig: für das Gehirn braucht es zwischendurch Übungseinlagen, welche die Balance, die Koordination oder beides gleichzeitig fordern.

Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt

Unterwegs finden sich zahlreiche Möglichkeiten, sich auf die unterschiedlichste Art zu fordern. Sitzbänke für Spaziergänger, ein Baumstamm am Wegrand, ein Geländer auf Brusthöhe, ein Kinderspielplatz, ein Parkgelände für gymnastische Übungen oder gar ein Fitnessparcours. Selbst die Wege dazwischen, bieten sich an, sich koordinativ zu fordern. Der Phantasiesind sind bei all diesen Gelegenheiten, das Gehirn zu fordern, keine Grenzen gesetzt. Statt nur schnell zu gehen, bietet sich der Hopserlauf vorwärts und rückwärts an. Oder der Seitschritt vorderkreuz und hinterkreuz und wenn frei ist, rückwärts gehen oder sich um die eigene Achse drehen.

40 koordinative Outdoorübungen für den Park: https://naturefreex.com/40-bodyweight-uebungen-ohne-equipment


Der koordinative Liegestütz

Bei einer Sitzbank, einem Geländer oder, wer’s schwierig mag, unten auf dem Boden, kann man Liegestütze mit koordinativen Einlagen machen. (Bild)


Ein Baumstamm am Wegrand wird zur Möglichkeit, die Balance zu fordern. Der Fitnessparcours bietet per se viele Möglichkeiten und im Park angekommen, werden zuletzt noch ausgiebig Gymnastikübungen mit Schwerpunkt auf Balance und Koordination gemacht. Eine freie Sitzbank für Spaziergänger kann man für Sit-ups nutzen um Brust- Rücken- und Schultermuskulatur zu stärken.

Zu Hause angekommen, fehlen dann noch die Dehnungsübungen. Auch sie können koordinativ anspruchsvoll gestaltet sein. Auf einem Bein wird die Ferse zum Po gezogen, sodass der Oberschenkel gedehnt wird. Oder das Knie nach oben ziehen und damit die Gesäßmuskeln dehnen.


Besonders wacklig ist folgende Dehnungsübung: den einen Unterschenkel über das Knie des anderen legen, die Balance halten und sich mit dem Gesäß wie auf einen Stuhl weit nach hinten setzen. Weitere Dehnübungen findet man im Netz und jede einzelne davon lässt sich kombinieren mit Herausforderungen für die Balance.


Koordination und Kreislauf in Einem

Wenn man sich bemüht, wird mit viel Phantasie der sonst übliche Sparziergang jedes mal zu einem Ereignis, das sowohl das Herz-Kreislaufsystem in Schwung bringt als auch dem Gehirn viel abverlangt. Schritt für Schritt wird jeder „Spaziergang“ so zum Gesundbrunnen für Herz und Hirn.

Und ganz generell, so Ulrike Oswald, die Übungsleiterin „Sport für Ältere“, gilt für alle Übungen während des koordinativen Spaziergangs:

– *Kognitive Stimulation*: Koordinative Übungen fordern das Gehirn heraus, indem sie gleichzeitig kognitive und motorische Fähigkeiten beanspruchen. Dies kann helfen, das Denkvermögen und die Auffassungsgabe zu erhalten oder sogar zu verbessern.

– *Neuronale Verbindungen*: Durch regelmäßiges Training mit koordinativen Übungen können neue neuronale Verbindungen geschaffen werden. Dies ist besonders bei Demenzpatienten im Frühstadium von Bedeutung, da es helfen kann, ehemals intakte neuronale Schaltkreise zu „reparieren“ und somit die motorischen Fähigkeiten zu erhalten.

– *Anpassungsfähigkeit*: Die Übungen sollten einfach gehalten werden und der Schwierigkeitsgrad behutsam gesteigert werden, um die besten Ergebnisse zu erzielen. So können auch Menschen mit Demenz von den Übungen profitieren.

– *Vielfalt der Übungen*: Es gibt eine Vielzahl von Übungen, die speziell für die kognitive Stimulation entwickelt wurden. Diese reichen von einfachen Bewegungen wie auf einem Bein stehend mit dem anderen Figuren in der Luft zu „malen“ bis hin zu komplexeren Aufgaben, die Feinmotorik und Koordination erfordern.

– *Regelmäßigkeit*: Die Übungen sollten regelmäßig durchgeführt werden, um eine Verbesserung zu erzielen. Wie oft und wie lange geübt werden sollte, hängt von der individuellen Person ab. Wichtig ist, dass das Üben nicht zur Last wird.


Möglichst unter Anleitung

„Es ist empfehlenswert, diese Übungen unter Anleitung eines Fachmanns durchzuführen, um sicherzustellen, dass sie korrekt ausgeführt werden und um den individuellen Bedürfnissen der Person anzupassen.“ (Ulrike Oswald)

https://www.mental-vital-coaching.de/vital-coaching

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5-3. Bewegung, das sagen alle, wie sagt keiner

Ein Würfelspiel für alte Menschen

Wenn es darum geht, Alzheimer-Demenz zu verhindern, dann sind sich die Fachleute einig: regelmäßige Bewegung kann die gefürchtete Alterskrankheit zwar nicht gänzlich verhindern, aber zumindest aber verzögern. Sie stützen sich dabei auf die Ergebnisse praktisch aller diesbezüglichen Studien und der Zusammenhang von Bewegung und Demenzvermeidung gilt zwischenzeitlich als belegt. Das bedeutet, wir wissen zwar, dass mit Bewegung der Altersdemenz beizukommen wäre, aber alle Prognosen deuten auf weiter steigende Zahlen an Alzheimerpatienten hin. Niemand erwartet Besserung. Warum ist das so?

Vorschnell könnte man sagen, dass es zwar das Mittel (Bewegung) gibt, aber die Betroffenen nehmen es nicht. Sie bewegen sich zu wenig, obwohl sie deren heilsame Wirkung kennen. Der wirkliche Grund könnte aber ein anderer sein. Wie bei vielen Medikamenten, hilft auch Bewegung nur, wenn die Dosierung stimmt. Wie bei der Dosierung bei Medikamenten müsste man bei der Bewegung wissen, auf welche Art und wie viel man sich bewegen muss. Weil aber die Informationen fehlen, gibt es Zweifel an deren Wirksamkeit.

Die Wissenschaft müsste also noch nähere Informationen über die genauen Wirkungen der Bewegung liefern, um solche Zweifel auszuräumen. Die Pauschalaussage „Bewegung hilft“ ist für Menschen, die heute 60 oder 70 Jahre alt sind, einfach nicht ausreichend.


Allein gelassen

Demenzvermeidung durch Bewegung, das ist für alte Menschen bis heute ein reines Würfelspiel. So allein gelassen, macht man bezüglich Bewegung ein bisschen dies und das und verlegt sich lieber darauf, den Sport vor dem Fernseher als ein faszinierendes Ereignis zu begreifen.


Die entscheidende Frage

Auf die entscheidende Frage, wie und wie vielseitig man sich bewegen müsste, erhalten besorgte Ältere stets lapidar zur Antwort: jede Bewegung ist gesund, mindestens dreimal die Woche sollte es sein und möglichst so, dass man ins Schwitzen kommt. Im Prinzip richtig, aber auch das ist zu pauschal, denn es gibt ja nicht DIE Bewegung. Es gibt viele Arten und unzählige Kombinationen der Bewegung: die Bewegungen des Alltags, hunderte unterschiedliche Sportarten, massenhaft gymnastische Übungen, Yoga, Walking, Laufen, Geschicklichkeitsübungen, Life-Kinetik, Tanzen und eine Menge sonstiger körperlicher Aktivitäten. Gefährdete alte Menschen müssten aber im Detail wissen, wie und welche Art der Bewegung ihnen in ihrer persönlichen Situation helfen könnte.

Die Tatsache, dass sie das bis heute nicht in Erfahrung bringen können, ist ärgerlich. Die Ursache dafür ist, dass sich die Forschung bisher nicht die Mühe gemacht hat, die vielen Formen der Bewegung genauer zu untersuchen und sie für uns als Anwender in eine sinnvolle Ordnung zu bringen. Für die Gesellschaft heißt das, wir wissen zwar, dass Bewegung Demenz verhindert, aber aus Unkenntnis über die Details werden auch weiterhin viele das falsche tun und krank werden. Und zwar auch viele derjenigen, die bereit sind, für ihre geistige Gesundheit etwas zu tun.

Jede Bewegung hat eine andere Wirkung

Kraftsport macht starke Muskeln und stabile Knochen, Ausdauersport ein gesundes Herz und ein ausgeglichenes Gemüt, Dehnungsübungen machen gelenkig und alles koordinativ Anspruchsvolle einen gesunden Geist. Im Alter wird Letzteres leider nur allzu oft und von Jahr zu Jahr mehr vernachlässigt.

Wie es aussehen könnte, selbst etwas für die geistige Fitness zu tun, wird an nachfolgenden Beispielen aufgezeigt: 10 Beispiele für die sportlichen Senior*innen und eben so viele für jene, die in ihrer Bewegung eingeschränkt sind.

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5-2. Handlungsbedarf für die graue Masse?

Früherkennung durch den Flamingotest

Alzheimerkrank wird man in drei Stufen, die fließend ineinander übergehen. Einem jahrzehntelang ungesund geführten Leben folgt die Vorstufe Demenz, die sich über Jahre erstreckt und schließlich in die unwiderrufliche Krankheit übergeht.

Der ersten Stufe wird volle Aufmerksamkeit geschenkt. Ein Leben lang wird man von den Medizinern und den Medien darauf hingewiesen, nur ja gesund zu leben. Dass man sich gesund ernähren, viel bewegen und Stress vermeiden soll, weil ansonsten neben den körperlichen Beschwerden im Alter obendrein die Gefahr von Alzheimer droht.

In der dritten Stufe, wenn die Menschen demenzbedingt betreuungsbedürftig werden, kommt den Betroffenen, den pflegenden Angehörigen und den Pflegekräften in den Heimen viel Aufmerksamkeit zu. Unterstützungsangebote in Form von Informationen, Leistungen je nach Pflegegrad und nicht zuletzt gibt es staatliche und private Pflegeheime . Und die Politik sorgt sich um die Finanzierbarkeit der Pflege, die ständig schwieriger zu bewältigen ist.

In der zweiten Stufe, also der Vorstufe der Demenz, fühlen sich dagegen Millionen Menschen allein gelassen. Die ersten Anzeichen schleichen sich unbemerkt ein: Vergesslichkeit, Schwindel, nachlassende Beweglichkeit – alles Dinge, die man leicht als „normale“ Alterserscheinungen abtut. Doch wer die Warnsignale ignoriert oder sich mit pauschalen Ratschlägen wie „gesund leben“ und „mehr bewegen“ abspeisen lässt, verpasst vielleicht die letzte Chance, den Weg in die Demenz zu vermeiden. Dabei gibt es einen Weg zurück – einen beschwerlichen, aber lohnenden. Er führt nicht über Medikamente, sondern über gezielte, koordinativ anspruchsvolle Aktivitäten, die das Gehirn neu formen können. Diese Ausarbeitung zeigt, warum herkömmliche Empfehlungen wie Ausdauertraining oft zu kurz greifen und wie Betroffene durch vielseitige Bewegung ihre geistige Fitness zurückgewinnen können.

Demenzfrüherkennung freiwillig und kostenlos

Zuerst steht an, sich über seine Lage Gewissheit zu verschaffen und im Gesundheitswesen sollte es eigentlich für jeden ab sechzig eine Vorsorgeuntersuchung für Demenz, ähnlich der bei Krebs, geben. Immerhin, selbst wenn erste Anzeichen von Demenz diagnostiziert werden, dann weiß man wenigstens, jetzt gilt es dagegen zu halten.

Bei Alzheimer und Demenz ist die Früherkennung sehr wichtig, weil die Behandlung dann viel mehr Aussicht auf Erfolg verspricht. Die Tests und Untersuchungen messen sehr zuverlässig, wie gut das Denkvermögen einer Person ist. Wenn aber dessen Leistungsfähigkeit in diesen Tests Defizite aufweist (MCI), kann das ein Hinweis auf eine beginnende Demenz sein und entgegen landläufiger Meinung kann der Einzelne mit Hilfe von erfahrenen Therapeuten noch lange geistig gesund bleiben. Zur Diagnose seniler Plaques stehen vier Verfahren zur Verfügung:

Der Flamingotest gesunden Alterns

Eine Möglichkeit, sich selber einzuschätzen ist der Flamingotest. Wer stehen kann wie ein Flamingo, altert gesund. So jedenfalls die Botschaft der Mayo-Klinik in Rochester, die in einer Arbeitsgruppe Menschen im Alter von 50 Jahren und älter untersucht haben. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass die Fähigkeit, auf einem Bein stehen zu können, sehr viel über den Zustand des alternden Menschen aussagt: „die Dauer, über die eine Person die Balance auf einem Bein zu halten vermag, stellt sich als die verlässlichste Determinante des Alterns heraus“. Link zur Studie: https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0310764

Der Einbeinstand hat sich im Vergleich zu anderen Tests, wie dem Zustand der Muskeln oder dem Gangbild alternder Menschen am aussagekräftigsten erwiesen. Das Gangbild verschlechtert sich im Vergleich am Schnellsten, hatte aber die geringste Aussagekraft. Beim Zustand der Muskeln zeigte sich, dass diese zwar mit dem Alter nur langsam nachlassen, aber auch daraus kein Hinweis auf ein Nachlassen körperlicher und geistiger Fähigkeiten abzuleiten ist.

Maß für Gebrechlichkeit

Besonders deutlich fiel dagegen der Unterschied beim Stehen auf einem Bein aus. Hier nimmt die Fähigkeit im Alter genauso ab, aber der Verlauf, wie sich diese Fähigkeit entwickelt (verschlechtert) kann als Hinweis über das Maß für Gebrechlichkeit, für zunehmende Unselbstständigkeit, den Sturzstatus sowie der kognitiven Möglichkeiten gewertet werden. Beim Flamingostand sind nämlich gleichzeitig die Fähigkeiten der Sinne, die der neuromuskulären Körperkontrolle sowie eine angemessene Muskelkraft gefragt. Das Fazit bei den Forschenden: der Einbeinstand ist ein sehr gutes und wichtiges Diagnoseinstrument gerade bei älteren Menschen.


Die Studie unterstreicht, dass jeder für sich mit dem einbeinigen Gleichgewichtstest seinen Zustand in Sachen gesunden Alterns feststellen kann. Die Dauer, in der ich das Gleichgewicht auf einem Bein halten kann, erweist sich als Hinweis darüber, wie es um meine koordinativen und kognitiven Fähigkeiten bestellt ist. Wenn das Ergebnis beim Test ungenügend ausfallen sollte, dann ist es an der Zeit, die Balancefähigkeiten, die Sturzprophylaxe sowie die sportlichen Aktivitäten zu schulen.

Gesundes altern zeigt sich im Vermögen der neuronalen Schaltkreise, komplexe Bewegungen zuverlässig und nachhaltig zu koordinieren


Welcher Typ sind Sie?

Eine Einschätzung, ob man gefährdet ist, kann man natürlich auch selber vornehmen. Allerdings wird diese nur eine sehr eingeschränkte Aussagekraft haben und den Arzt nicht ersparen können.

Gesund
Sie haben gesund gelebt (rote Linie), sich also gesund ernährt, Stress vermieden und waren bis ins hohe Alter sportlich aktiv (schwarze Linie).


Demenzrisiko gering.
Sorglos
Sie haben “normal” gelebt, sich also ungesund ernährt (rote Linie), oft waren Sie Stress ausgesetzt und im Alter haben Sie wenig bis gar keinen Sport mehr getrieben (schwarze Linie).

Demenzrisiko hoch.
Geläutert
Sie haben “normal” gelebt, aber im Alter sich entschieden, gesund zu bleiben, also sich gesund zu ernähren (rote Linie), Sie nehmen die Dinge gelassen und werden sportlich aktiv (schwarze Linie).

Demenzrisiko: überschaubar.

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5-1. Demenzbeschleuniger bestimmen unser Leben

Selber kochen, gehen, mähen, warum denn nicht?

Laut Statistik gehen wir täglich ganze 900 Meter. Vor den Zeiten des Autos waren es jeden Tag 15 Kilometer. Der Haushalt ist ein einziger Maschinen- und Gerätepark, um jeden Handgriff zu vermeiden oder zu erleichtern. Ein Thermomix in der Küche macht das Menü und im Garten arbeitet das Solarschaf.

Die Arbeit war früher immer mit dem Adjektiv hart verbunden. Die Arbeit heute dagegen verbindet man eher mit sitzen. Sitzen im Büro, im Auto oder daheim am Computer. Selbst in der Fabrik wird gesessen. In einem Auto, das neu vom Band rollt, steckt heute kaum noch körperliche Arbeit und menschliche Anstrengung.

Wir sind eine Gesellschaft geworden, die nur allzu gerne auf den „Segen der Technik“ zugreift. Alles was unser Leben erleichtert ist erfunden und wird selbstverständlich genutzt. Doch die Kehrseite dessen, was das für unsere körperliche und geistige Gesundheit bedeutet, haben wir noch zu wenig bedacht.


Nicht sesshaft werden!

Für die besondere Bedeutung der Bewegung für alles Geistige liefert die Seescheide einen eindrucksvollen Beweis. Sie ist ein winziges Manteltierchen, das im Larvenstadium über ganze 300 Nervenzellen verfügt. Mehr braucht sie aber nicht, um sich so weit fortzubewegen, dass sie einen geeigneten Untergrund findet, wo sie sich mit dem Kopf hineinbohren kann (Bild).

Dort verbleibt die Seescheide dann ihr ganzes Leben und weil sie die Nervenzellen nicht mehr braucht, werden sie sogleich wieder verdaut. Sozusagen vertilgt sie ihr ohnehin bescheidenes Gehirn, nachdem sie sesshaft geworden ist. Nichts als dieses kleine Manteltierchen könnte uns wohl besser vor Augen führen, im Alter nicht „sesshaft“ zu werden.


20 Jahre Ruhestand!

Nicht mehr körperlich hart arbeiten zu müssen und die Erleichterungen im täglichen Leben sind erklärtermaßen die Demenzbeschleuniger Nummer eins. Natürlich, verwirrte Alte, die hat es immer schon gegeben. Warum trifft es uns aber jetzt in einem Ausmaß, das den Sozialstaat die Gesellschaft und die Familien überfordert?

Der Unterschied zu früheren Zeiten ist offensichtlich. Zehn Jahre Ruhestand nach dem Beruf waren die Ausnahme, heute sind 20 Jahre der Normalfall und die Lebenserwartung ist auf ungekannte Höhe gestiegen. Auf der faulen Haut liegen zu können, war mal ein Privileg nur für wenige, heute können es Millionen von Menschen. Jahrzehntelang! Allerdings wird langsam klar, wir können uns das nicht mehr leisten. Nicht der Einzelne und schon gar nicht eine ganze Gesellschaft.

Zuerst sollte jeder, sobald er ins Rentenalter kommt, erst einmal rückblickend für sich entscheiden, wie es um seine Hirngesundheit bestellt sein könnte. Hat man gesund gelebt oder seinem Gehirn im Leben so einiges zugemutet? Wie man selbst zu einer Einschätzung kommen könnte, wird nachfolgenden mit dem Beitrag „Handlungsbedarf für die graue Masse?“.

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5. Die Erneuerung: Im Alter fit bleiben


Inhalt 5. Abschnitt

Alle Ratgeber erklären, wie man leben müsste, wenn man Demenz vermeiden will. Der vorliegende erklärt, wie man sich im Alter bewegen sollte, um geistig gesund zu bleiben. Er richtet sich an Menschen im Alter, die nicht so gelebt haben, wie ihnen geraten wurde. Nachfolgend werden einige Beispiele für die sportlichen Senioren und für jene genannt, denen Bewegung schwer fällt.

1. Demenzbeschleuniger bestimmen unser Leben

20 Jahre „Ruhestand“ gefährden die geistige Gesundheit

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2. Handlungsbedarf für die graue Masse?

Der Flamingotest gesunden Alterns

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3. Ein Würfelspiel für alte Menschen

Bewegung, das sagen alle, bloß wie sagt keiner

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1. Erneuerung für die Sportlichen

4. Der koordinative „Spaziergang“

Eine schnelle Runde, die es in sich hat.

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5. Das Waldbaden

Die Seele entspannen und den Geist fördern

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6. Netzerneuerung beginnt dort, wo es holprig wird.

Der Geländelauf sollte den Dauerlauf als Trendsportart ablösen

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7. Erst jenseits der Forststraße wird es eine Bergtour

Heilsam für das Gehirn wird es, wenn der Weg steinig wird

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8. Darf ich bitten!

Tanzen macht im Gehirn neue Netze für die Geschicklichkeit der Beine

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9. Tischtennis: Netzerneuerung im Sekundentakt

Raus aus der Wohnung, ran an die Platte

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10. Action in der Vertikalen

Die Königsdisziplin Klettern ist eine Herausforderung für Körper und Geist gleichermaßen

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11. Tanzen im Schnee

Zuerst vertraut man der eigenen Balancefähigkeit noch sehr wenig

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2. Erneuerung, wenn Bewegung schwer fällt
12. Wenn Bewegung schwer fällt?

Demenzvermeidung durch Bewegung bei körperlichen Einschränkungen

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13. Sitzgymnastik

Demenzprophylaxe ganz bequem, aber nicht ganz ohne Anstrengung

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14. Tanzen im Sitzen

Wenn die Füße nicht mehr flitzen, tanzen wir im Sitzen.

mehr …

15. Aquatraining

Auf die sanfte Art fit bleiben

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16. Hula Hoop

Ein Kinderspiel für Körper, Geist und Seele

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17. Singen und Musizieren

Nachweislich mehr kognitive Reserven im Alter

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18. Schnelle Finger

Kann regelmäßig stricken das Demenzrisiko vermindern?

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19. Jonglieren

Wenn beide Gehirnhälften gleichzeitig koordiniert werden müssen

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20. Life-Kinetik

In rascher Abfolge 100 mal

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21. Die Erneuerung

Ein Zehn-Punkte-Programm, geistig fit zu bleiben

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11. So macht Bewegung dauerhaft Vergnügen:

22. So macht Bewegung dauerhaft Spaß

Weil man im Alter mit dem Sport nicht nachlassen sollte, muss man sich etwas einfallen lassen

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23. Zurück ins Leben

Erneuerung bei demenzbedingter Pflegebedürftigkein

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4-8. Körper und Seele – eine untrennbare Ganzheit

Ist die ewige Frage endgültig entschieden?



Verhältnis zum Körper ist bis heute von der Frage geprägt, ob es eine von diesem unabhängigen und unsterbliche Seele gibt. Je nach Glaubensverständnis lautet die Antwort, dass es eine solche Seele gibt oder dass sie nur eine mit dem Körper verbundene Eigenschaft ist. Und je nach dem, wie die Antwort ausfällt, kümmern Menschen sich im Leben mehr um das Seelenheil oder mehr um die Kultivierung des Körpers.

Anders in der philosophischen Diskussion. Dort scheint die Frage entschieden: es gibt nur einen Körper und die Seele ist bloß ein mit ihm entstehendes und mit ihm vergehendes Etwas. So sehr aber heute in den philosophischen Kreisen darüber philosophiert wird, so wenig wird es überhaupt wahrgenommen und seitdem die Kirche ihre bestimmende Rolle im Alltag der Menschen verloren hat, orientieren sich die Menschen ohnehin weg vom jenseitigen Seelenheil hin zur diesseitigen Kultivierung des Körpers. Philosophie und Glaubensverständnis hin oder her!

Stand heute ist die Frage nach dem Verhältnis von Leib und Seele entschieden: dem Wohlergehen des Körpers wird hohe Achtung geschenkt, für ein in Aussicht gestelltes ewiges Seelenheil dagegen wird wenig getan. 2000 Jahre lang hat sich alles nur um die Seele, das “goldene Kalb” der Christenheit, gedreht. Heute dreht sich alles um die körperliche Fitness. Diese Entwicklung weg vom Seelenheil und hin zu einem gesunden Körper wurde weder von einer Institution, wie der Kirche, noch von Seiten der Philosophie her ausgelöst. Sie ist zu einer Frage des gesunden Menschenverstandes geworden.

Ganzheitliches Denken wieder neu entdeckt


Wie die Diskussion auch immer geführt wird, man orientiert sich heute am ganzheitlichen Denken des Hippokrates statt an Platons Trennung von Leib und Seele. Auch die Medizin nimmt wieder den ganzen Körper in den Blick und hat sich von Descartes’ Ansicht verabschiedet, wonach der Körper wie eine Maschine zu betrachten sei. Und im Umgang mit den Tieren hat sich Aristoteles, der den Tieren eine Seele zuordnet, gegen Descartes’ Theorie, wonach diese seelenlose Lebewesen seien, durchgesetzt: das Tierwohl rückt mehr und mehr in den Vordergrund. Und zuletzt noch: Alle hegen und pflegen, wie Hippokrates empfiehlt, den Körper. Sie gehen ins Fitnessstudio und keiner geht mehr, zu deren Bedauern, in die Kirche.


Hippokrates: keine Beschwerlichkeit auslassen

Den Körper zu bewegen und ihn sportlich fit zu halten ist eine Bewegung geworden, die aus einem inneren Gefühl heraus und allenfalls aufgrund ärztlicher Empfehlungen entstanden ist. Bereits Hippokrates hatte schon geraten, öfter zu Fuß zu gehen und keine Beschwerlichkeiten auszulassen. Leider ist das bis heute nicht selbstverständlich, insbesondere bei der älteren Generation.

Das aber sollte sich ändern und dazu will der nachfolgende Übungsteil beitragen.


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4-7. Friedrich Nietzsche

Attacke gegen die Verächter des Leibes

Den Dualismus der Kirche brachten die Philosophen des 19. Jahrhunderts wieder ins Wanken. Allen voran Friedrich Nietzsche. Seine Attacken richtete er gegen Platon und gegen die christliche Kirche gleichermaßen.


Platon, Europas „größtes Malheur“

Nietzsche stellte sich selber gerne als Überwinder dieser zweitaus­end Jahre alten Tradition dar. Er bezeichnete Platon einmal als „das größte Malheur Europas“. Denn mit Platon sei „der schlimmste, langwierigste und gefährlichste aller Irrtümer“ bisher in die Welt gekommen, nämlich „Platons Erfindung vom reinen Geiste und vom Guten an sich“. Er wandte sich gegen den Glauben an einen von Sinnlichkeit, Körperlichkeit und Willen unbefleckten Geist, welcher angeblich die absolute Wahrheit und die höchste Moral in sich verbinde.



Nietzsche dagegen sah alles Geistige und die Seele als vom Körper abhängige Phänomene an und stellte sich so in die Tradition des ganzheitlichen Denkens des Hippokrates.

Als Verächter des Leibes attackierte er Platon und das Christentum im Zarathustra:

Hinter deinen Gedanken und Gefühlen, mein Bruder, steht ein mächtiger Gebieter, ein unbekannter Weiser – der heißt Selbst. In deinem Leibe wohnt er, dein Leib ist er. Es ist mehr Vernunft in deinem Leibe, als in deiner besten Weisheit“. (Friedrich Nietzsche. Zit. a/Zarathustra)

Für den Philosophen Nietzsche gibt es keinen vom Körper unabhängigen Geist. Er ist nur ein „Phänomen“ im menschlichen Körper. Und der Körper ist dabei die große Vernunft, der Geist dagegen nur die kleine Vernunft. In seiner ihm ganz eigenen Sprache spricht Nietzsche dem menschlichen Geist und der Seele jene Unabhängigkeit ab, die ihnen Platon und das Christentum gegeben haben und läutet damit eine neue Ära ganzheitlichen Denkens ein. Seither ist also Hippokrates und die Ganzheit des Körpers wieder im Spiel und eine eigenständige Seele im Zweifel. Nicht ohne Brüche wurde in der Folgezeit dem Körper, seiner Pflege und der Ertüchtigung wieder mehr Beachtung geschenkt. Nur die Kirche hält eisern bis heute an der Trennung von Leib und Seele fest.

1742 Jahre nach der Synode zu Konstantinopel im Jahr 381 n.Chr. wäre es an der Zeit, mit einer neuen Enzyklika klarzustellen, dass die Pflege des Körpers gottgefällig und das Fleisch keineswegs als der sündige Teil des Menschen zu betrachten ist. Für die Kirche wird eine solche Kehrtwende gewiss nicht einfach werden, aber will sie sich wirklich reformieren, ist sie unausweichlich.

Im Alter wieder zum Kind werden: von den drei Verwandlungen des Geistes1

Dem Geist, für den Nietzsche keine große Hochachtung hat, macht er zur Aufgabe, unserem Leben in den einzelnen Lebensabschnitten (Kindheit, Berufsleben und Alter) einen Sinn zu geben. Wenn das Kind sein zu Ende geht und die Erwachsenenwelt beginnt, dann wandelt sich auch der Geist und mit ihm, die Art zu leben und in all den Berufsjahren werden wir vom „Du Sollst“ bestimmt. Dabei sollte es der Mensch aber nicht belassen. Nitzsche: „Drei Verwandlungen nenne ich euch des Geistes: wie der Geist zum Kamel wird, und zum Löwen das Kamel, und zum Kinde zuletzt der Löwe.“1

https://de.wikipedia.org/wiki/Also_sprach_Zarathustra


Du sollst: die Last des Lebens der Erwachsenen

Mit dem Eintritt in die Erwachsenenwelt also, belädt sich der Geist wie ein Kamel. Nach dem schweren und schwersten verlangt er und so wird er beladen mit tausendfachen „Du sollst“. Der sich entwickelnde Geist soll tragsam sein, „dem Kamele gleich, das beladen in die Wüste eilt, also eilt er (der Geist) in seine Wüste“.


Ich will: die Freiheit des Alters

Dort schließlich, in der Wüste der Alltagspflichten will der Geist aber das „Du sollst“ verwandeln in ein „Ich will“. Wenn die Mühen des Lebens von der Freiheit des Alters abgelöst werden, dann „bedarf es des Löwen im Geiste“. Neue Werte schafft diese Freiheit noch nicht, aber die Freiheit sich neue Werte schaffen zu können, das vermag der Geist des Löwen: „Freiheit sich schaffen und ein heiliges Nein auch vor der Pflicht: dazu, meine Brüder, bedarf es des Löwen“.


Ich kann’s: das Glück des Kindes

Und zuletzt, wenn der Löwe auch noch das „Ich will“ hinter sich zu lassen vermag, dann muß der Löwe auch noch zum Kinde werden: „Unschuld ist das Kind und Vergessen, ein Neubeginnen, ein Spiel, ein aus sich rollendes Rad, eine erste Bewegung, ein heiliges Ja-sagen.“

Wäre uns im Alter doch nur gegeben, wieder im Sinne Nietzsches zum Kind zu werden. Alle Pflichten und selbst alles Wollen abzuwerfen um das Glück des Kindes zu finden. Lebensglück, allein aus Freude der Bewegung. Jeden Tag wieder neu.


Zuletzt, wenn also der Mensch im Alter wieder zu Kind wird, soll er sich bescheiden und sich mit einem „absichtslosen Betrachten“ der Welt und des geschäftigen Lebens um sich herum begnügen.

1 Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra. Von den drei Verwandlungen (dtv)

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