Weltweit in die falsche Richtung?
Durch meine vielfältigen sportlichen Aktivitäten ist mir mehr und mehr bewusst geworden, dass die Forschung in ihren Studien die unterschiedliche Wirkung von Bewegung zu wenig berücksichtigt. Jede Bewegung wirkt im Körper anders: Kraftsport macht starke Muskeln und stabile Knochen, Ausdauersport ein gesundes Herz und ein ausgeglichenes Gemüt, Dehnungsübungen machen gelenkig, Faszienübungen das Bindegewebe geschmeidig und einzig alles koordinativ Anspruchsvolle einen gesunden Geist. Dass die Weltgesundheitsorganisation von diesen verschiedenen Bewegungsarten explizit Kraft- und Ausdauertraining empfiehlt, hat wohl eine einfache Ursache: durchwegs alle Studien wurden mit Probanden durchgeführt, die bereit waren, regelmäßig Kraft und Ausdauer zu trainieren.
Ein Zirkelschluss1 rund um den Erdball

Was die WHO empfiehlt2
Einer Empfehlung der WHO entsprechend, wird in allen Ländern den alten Menschen jeweils wöchentlich 150 Minuten moderater Ausdauersport und 75 Minuten Krafttraining mittlerer Intensität empfohlen. In der Folge dieser Empfehlung ergibt das einen Zirkelschluss, der über fünf Stationen einmal um den Erdball herum verläuft:
Beweisführung im Kreis
1. Wissenschaftliche Studien werden weltweit generell mit Teilnehmern durchgeführt, die Kraft- und Ausdauersport betreiben. 2. Die Erkenntnisse daraus werden von der WHO im Ergebnis übernommen und dann allen Mitgliedsländern als Anregung für ihre Bürger empfohlen. 3. Die Gesundheitsresorts dieser Länder ermuntern ihre Senioren, sich gemäß den Vorgaben der WHO zu bewegen. 4. In vielen Ländern werden diese Vorgaben der WHO von den Menschen befolgt. 5. Zuletzt werden dann für weitere Studien wieder Teilnehmer verpflichtet, die ihre Kraft- und Ausdauer trainieren und so beginnt der Kreislauf von Neuem.
Die Folge dieses logischen Fehlers in der Beweisführung sind weiter steigende Pflegefälle überall auf der Welt. Wollte man aus diesem fatalen Zirkelschluss ausbrechen, müsste wissenschaftliche Forschung von den vielen Möglichkeiten, sich sportlich zu betätigen, mehr als bisher alles koordinativ Anspruchsvolle in den Blick nehmen und die Erkenntnisse daraus der WHO empfehlen.
Der Lancet Report kann eingesehen werden unter: https://www.thelancet.com/journals/langlo/article/PIIS2214-109X(24)00150-5/fulltext
Warum haben die Studien ihr erklärtes Ziel verfehlt?
Man weiß viel darüber, wie man Demenz vermeiden kann. Man weiß nur nicht, warum es trotzdem nicht gelingt, die Zunahme von Demenz bedingt Pflegebedürftigen zu stoppen. Um das zu ergründen, sollte man sich die Studien einmal genauer ansehen. Weltweit haben diese aus unterschiedlichen Gründen ihr erklärtes Ziel verfehlt. Drei Erklärungsversuche:
1. Für körperlich Eingeschränkte wertlos
Alle Studien zur Altersdemenz gehen an der Lebenswirklichkeit vorbei. Sie gehen davon aus, dass die Beweglichkeit bis zuletzt erhalten bleibt. Mit zunehmendem Alter nimmt sie aber naturgemäß ab. Weltweit haben alle Studien ihre Untersuchungen aber so angelegt, dass die Teilnehmer sich regelmäßig sportlich bewegen mussten. Die Ergebnisse daraus sind für körperlich eingeschränkte Menschen – und das sind mehr als 50 Prozent der über 70-jährigen – wertlos.
2. Ausdauertraining für’s Gehirn ungeeignet
Um körperlich und geistig gesund zu bleiben, wird von den Ärzten und allen Ratgebern empfohlen, moderat und altersgemäß die Ausdauer zu trainieren. Wie bereits dargestellt, sind Ausdauersport und Krafttraining aber denkbar ungeeignet, um geistig fit zu bleiben. So jedenfalls kann es nicht gelingen, der Demenz etwas entgegen zu setzen.
3. Einzelne Aktivitäten haben nur eine begrenzte Wirkung
Viele weitere Aktivitäten, darunter auch koordinativ anspruchsvolle, wurden auf ihre Wirksamkeit zur Demenzvermeidung untersucht und bei ihnen allen hat man festgestellt, dass sie zur Erhaltung geistiger Fitness Wirkung zeigen. Allerdings, sie wirken nur sehr eingeschränkt und mit einer allein ist nichts gewonnen. Weitere solcher Studien mit einzelnen Aktivitäten sind deshalb entbehrlich. Nachfolgend deshalb zwei mögliche Studienansätze, die eher Erfolg versprechen.
- Prospektive Kohortenstudie: Multimodal mit Schwerpunkt auf koordinativ anspruchsvoller Bewegung
Die Forschung, wenn sie durch eine neue Studie das Zusammenwirken vielseitiger Bewegungsaktivitäten untersuchen wollte, müsste also einen neuen Ansatz wählen. Sie müsste ebenso wie die Finger- oder die Agewell-Studie einen multimodalen Ansatz wählen. Multimodal aber in Form von mehreren Bewegungsaktivitäten. Also statt sechs Module gesund leben und nur eines mit Bewegung sollte es umgekehrt sein: sechs Module Bewegung und eines mit gesund leben .

Jeder wählt für sich
Konkret könnten das bezüglich Bewegung sechs verschiedene, von den Teilnehmern selbst gewählte Arten von Aktivitäten sein, die im Wochenrhythmus ausgeübt werden. Möglichst sechs Aktivitäten, die das Gehirn auf ganz unterschiedliche Weise fordern: zum Beispiel Tanzen, Wassergymnastik, Balanceübungen, Waldspaziergänge, Musizieren und Tischtennis.
Die Forschung würde damit in den Blick nehmen, wie sich ein ganzer Reigen von komplex zu koordinierenden Bewegungsabläufen, die regelmäßig ausgeübt werden, in den neuronalen Schaltkreisen auswirkt.
- Vergleichsstudie: Aerobic-Exercise vs. Brain-Exercise
Für die Frage, wie durch Bewegung Demenz zu vermeiden wäre, könnten die Ergebnisse einer Vergleichsstudie von großer Aussagekraft sein:

Zwei Gruppen
Die Teilnehmer würden in zwei Gruppen eingeteilt. Eine mit Ausdauersportlern (aerobic exercise) und ein zweite mit Koordinativsportlern (brain exercise). Die Ausdauersportler trainieren so wie es von der WHO empfohlen wird und die Koordinativsportler trainieren wie im Beispiel eins mit regelmäßig sechs verschiedenen koordinativ anspruchsvollen Aktivitäten.
Zu erwarten ist, wie schon der Name sagt, dass die Koordinativsportler (brain-exercise) besser abschneiden und diese Teilnehmer über den Studienzeitraum das Fortschreiten der Demenz spürbar verzögern oder gar stoppen können. Sollte sich das erweisen, wäre das für alte Menschen eine äußerst wichtige Information. Zumindest für jene, die bereit sind, für ihre geistige Gesundheit sportlich aktiv zu bleiben.
Die körperlichen Fähigkeiten alter Menschen: Sich koordinativ anspruchsvoll regelmäßig und vielseitig zu bewegen wird weltweit nirgendwo empfohlen. Allenfalls ambitionierte kognitive Herausforderungen werden angeraten, aber bezüglich Bewegung wird nur wenig Anspruchsvolles gefordert. Das mag den (vermeintlich geringen) körperlichen Fähigkeiten der Menschen im Alter geschuldet sein, nicht aber dem Anspruch, Demenz nachhaltig zu vermeiden.
1 Ein Zirkelschluss ist ein logischer Fehler, bei dem die Prämisse einer Argumentation ihre eigene Schlussfolgerung voraussetzt. Das bedeutet, dass die Aussage, die bewiesen werden soll, stillschweigend in den Prämissen enthalten ist, wodurch das Argument im Kreis läuft und keinen externen Beweis bietet.
2Beispielhaft für alle Länder sei hier die Antwort der KI zitiert, die auf die Frage „was empfehlen die Fachleute in Saudi-Arabien, wie man durch Bewegung Alzheimer vermeiden könnte“, folgende Antwort gibt:
„Fachleute in Saudi-Arabien empfehlen, ähnlich wie international, regelmäßige körperliche Aktivität zur Vorbeugung von Alzheimer und Demenz. Hier sind einige allgemeine Empfehlungen: 1. **Moderate körperliche Aktivität**: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt für Erwachsene eine wöchentliche moderate körperliche Aktivität von etwa 150 Minuten, was etwa 2,5 Stunden pro Woche entspricht. Dies kann durch Aktivitäten wie Spazierengehen, Radfahren oder Schwimmen erreicht werden. 2. **Krafttraining**: Zusätzlich zur moderaten Aktivität wird auch empfohlen, an zwei bis drei Tagen pro Woche Krafttraining zu betreiben, um die wichtigsten Muskelgruppen zu trainieren. 3. **Kontinuität**: Regelmäßigkeit ist der Schlüssel. Mindestens 30 Minuten moderate Bewegung pro Tag können besonders vorteilhaft sein. 4. **Soziale Aktivitäten**: Sport in der Gruppe kann zusätzlich positive Effekte auf Körper und Geist haben. Diese Empfehlungen sind nicht spezifisch für Saudi-Arabien, aber sie sind aufgrund der globalen Forschung und Studien relevant und anwendbar.“