2-7. Was ist Neuroplastizität?


Die Fähigkeit des Gehirns, sich lebenslang anzupassen

Neuroplastizität ist der unbedingte Wille des Gehirns, Bewegung zu ermöglichen. Sie bewirkt die Erneuerung geschädigter Netzverbindungen durch Herstellung neuer Verbindungen um so die Funktionsfähigkeit der Schaltkreises zur Ausübung von Bewegungsablaufen zu erhalten. Diese Wirkweise ermöglicht geistige Gesundheit im Alter. Der wissenschaftliche Ausdruck „Neuroplastizität“ bezeichnet jenes Phänomen, das sich in den Gehirnen eines jeden Lebewesens tagtäglich beobachten lässt. Wortwörtlich könnte man es mit „Formbarkeit des Nervensystems“ übersetzen. Das riesige neuronale Netzgeflecht lässt sich demnach jederzeit den erforderlichen Gegebenheiten anpassen (formen) und dabei gibt es zwei unterschiedliche Formen:

1. Alltägliche Neuroplastizität: sie findet unbewusst statt und beschreibt die Fähigkeit des Gehirns, sich durch neue Erfahrungen, Lernen oder nach Verletzungen strukturell und funktionell zu verändern. Das Gehirn kann dabei neue neuronale Verbindungen (Synapsen) bilden, bestehende stärken oder beschädigte Bereiche durch Umstrukturierung kompensieren. Diese Anpassungsfähigkeit bleibt auch im Erwachsenenalter und bis ins hohe Alter erhalten. Besonders relevant ist, dass Neuroplastizität nicht nur durch kognitives Training, sondern vor allem durch körperliche Aktivität gefördert wird, die das Gehirn zu komplexer Koordination herausfordert. Studien zeigen, dass solche Aktivitäten die Neubildung von Nervenzellen (Neurogenese), die Bildung neuer Gefäße (Angiogenese) und die Entstehung neuer Kontaktstellen zwischen Nervenzellen (Synaptogenese) anregen können. (Quelle: mindbody-hub.com)

2. Sportinduzierte Neuroplastizität: sie wird bewusst herbeigeführt und kann von Menschen mit MCI zielgerichtet für die Demenzprävention genutzt werden. Aktuelle Forschungsergebnisse betonen, dass multidimensionale Bewegungsformen – also Aktivitäten, die Gleichgewicht, Timing, räumliche Orientierung und Feinmotorik gleichzeitig erfordern – besonders wirksam sind. Diese stimulieren verschiedene Gehirnregionen und fördern die Vernetzung neuronaler Netze. Einseitige Aktivitäten wie reines Ausdauertraining reichen dagegen nicht aus, um nachhaltige Effekte zu erzielen. Vielmehr sind kombinierte, koordinativ anspruchsvolle Bewegungen (z. B. Tanzen, Tischtennis, Jonglieren) entscheidend, da sie das Gehirn vor neue, unvorhersehbare Herausforderungen stellen und so die Neuroplastizität maximieren.(Quelle: Zeitschrift Sportmedizin)

Der Schlüssel zur Erneuerung des geschädigten Gehirns

Bei rein kognitiven Gehirnaktivitäten werden bestehende Verbindungen „nur“ gestärkt, bei Bewegung und speziell wenn sie das Gehirn zu komplexer Koordination fordert, dagegen wirkt sie gehirnerneuernd. Speziell im Alter, wenn das Leben im Gehirn Schäden hinterlassen hat, sollte man deshalb die Wirkweise der Neuroplastzität kennen.

Das Gehirn hat im Übrigen die besondere Eigenschaft sich nicht irgendwie, sondern stets nach den individuellen Erforderlichkeiten des „Benutzers“ umzuformen und welche Erforderlichkeiten das sind, entscheidet sich an Hand der Lebenssituation des Einzelnen. Ob das Kleinkind gehen oder der Mensch im Alter Tanzschritte lernen will, das Hirn “formt” die Schaltkreise entsprechend. Und mehr noch, das Gehirn ist nicht nur in der Lage sich neu zu verdrahten, dies ist sogar seine normale Funktionsweise.

Gallertartige Masse – luftiges Seidentuch?

Das Gehirn ist eigentlich eine feste (gallertartige) Masse. Aber das Geistige, das darin stattfindet, gleicht eher einem luftigen Seidentuch (Bild oben). Und so wie ein Tuch sich mit jedem Lufthauch verändert, so verändert sich auch das Geistige, wenn es vom sich bewegenden Körper Impulse bekommt. Möglichst jene Impulse, die durch komplex zu koordinierenden Aktivitäten, wie das Tanzen, Yoga oder Musizieren entstehen.


Grundpfeiler dieses Konzepts sind fünf Komponenten: Die Grundpfeiler der Neuroplastizität: 1. Motivation (ein fester Wille) 2. Repetition (täglich/wöchentlich im Rhythmus) 3. Stimulation (einen/e Sportsfreund/in) 4. Fitness (Ausdauer, Kraft und Beweglichkeit) 5. Konsolidierung (Schlaf).


Wie findet das Hirn die winzigen Störungen im Netz?

Für das Gehirn ist es möglich, die geschädigten Bereiche auszumachen. Hierzu gibt es eine bestimmte Zellgruppe, die sog. Mikroglia fungiert gleichsam als eine „Polizei“ im Gehirn, die geschädigte Areal aufspürt, sie zunächst versucht zu isolieren und dann zu reparieren und mit Hilfe anderer Zellen zu erneuern. Fündig wird es, indem man sich auf komplex zu koordinierende Arten zu bewegen versucht. Wenn man sich bewegt und es klappt ohne weiteres, dann ist das Netz, das für den Ablauf dieser Bewegung “zuständig” ist, in Takt. Wenn es aber ein Bewegungsablauf ist, bei dessen Ablauf es nicht so gut klappen will, dann sind die Netzverbindungen lückenhaft. Ganz einfach: ein intaktes neuronales Netz im Gehirn macht einen intakten Bewegungsablauf und umgekehrt: ein gestörter, nicht intakter Bewegungsablauf zeugt von einem lückenhaften neuronalen Netz. Um ein solches wieder herzustellen, ist es erforderlich, diese Bewegungsmuster auszuüben. Und zwar so lange, bis das Netz wieder lückenlos ist. Hierbei steht Bewegung neben der körperlichen auch für die geistige Bewegung, was immer zu berücksichtigen ist, wenn kognitive Fähigkeiten beeinträchtigt sind.

Zeit für die Anwendung in der Demenzvorsorge

Von der Praxis der Behandlung in den Kliniken zur individuellen Demenzprophylaxe ist es nur ein Schritt:

Um von der Praxis der Behandlung von Schlaganfallpatienten zu erfolgreichen Ansätzen bei der individuellen Demenzprophylaxe zu gelangen, ist es nur ein Schritt. Statt einen relativ großen geschädigten Bereich zu ersetzen, müssen bei der Demenz unzählige winzige weit verstreute Plaques „repariert“ werden. Aber auch wenn es sich um zwei ganz unterschiedliche Arten von Schäden im Gehirn handelt, der Ansatz sie auszubessern ist beides mal der gleiche: Gehirnerneuerung durch zielgerichtete Bewegung! Und für die Menschen wäre von großem Nutzen, wenn Forschung die vielfältigen Möglichkeiten des stets wandlungsfähigen Gehirns zur Vermeidung von Alzheimer untersuchte.

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