1. Geistig gesund trotz Bewegungslosigkeit
Beispiele von Menschen, die sich wenig bis gar nicht bewegten, kennt jeder. Besonders zu nennen wäre der Astrophysiker Stephen Hawking. Bei ihm hat es die Natur auf die Spitze getrieben. Jahrzehnte lang war er vollkommen bewegungsunfähig, aber seine Geistesgröße war schier unvorstellbar. Ist damit die eingangs genannte Hypothese, wonach die körperliche Bewegung die Quelle des Geistes ist, hinfällig? Gibt es zwischen Körperkoordination und der kognitiven Leistungsfähigkeit des Menschen also doch keinen Zusammenhang?
Als Kind kein Stubenhocker

Stephen Hawking wurde im Januar 1942 geboren. Kurz vor seinem einundzwanzigsten Geburtstag stellten die Ärzte bei ihm eine unheilbare Erkrankung des Zentralnervensystems fest. Es kam zu der von den Ärzten erwarteten Degeneration der Muskulatur. Falsch lagen die Ärzte mit ihrer Prognose, dass die Krankheit schon nach wenigen Jahren tödlich enden würde.
Als Jugendlicher war Stephen Hawking sportlich sehr aktiv. In der renommierten St. Albans School brachte er es zum Steuermann des Achters. Erst mit Anfang zwanzig zeigten sich erste Lähmungserscheinungen. Ab dem sechsundzwanzigsten Lebensjahr war er an den Rollstuhl gefesselt. Warum Stephen Hawking geistig fit geblieben ist, bleibt eine Spekulation: Als Erklärung bietet sich an, dass er gesund gelebt hat oder er zu den Menschen gehörte, die nicht zur Plaquesbildung neigen. Dass er dann nach fast fünfzig Jahren ohne Bewegung immer noch klar denken konnte beweist, geistige Fitness im hohen Alter ist auch ohne Sport möglich.
Das Beispiel Stephen Hawking zeigt allen und besonders jenen, die körperlich eingeschränkt sind, sich im Leben möglichst gesund zu ernähren, nicht über die Stränge zu schlagen, sich geistig zu fordern und Kontakte zu pflegen.
2. Dement trotz Bewegung
Zu glauben, mit viel Bewegung gegen Demenz gefeit zu sein, ist ein Irrglaube. Oft wird berichtet, dass ein guter Bekannter doch täglich mit dem Hund spazieren gegangen ist. Und im Sommer ist er Rad gefahren und hat durchaus auch koordinativ anspruchsvollen Sport getrieben. Trotzdem sei er dement geworden. Ist demnach die Bewegung doch kein Garant, die Demenz zu verhindern?
Bei der Frage „dement trotz Bewegung“ sind zwei Einflussfaktoren zu beachten:
1. Wie stark ist die individuelle Plaquesbildung?
2. Wie viel und welche Art der Bewegung wurde der Demenz im Alter entgegen gesetzt?
Wollte man untersuchen, warum beim genannten Beispiel der Betroffene dement geworden ist, müsste man diesen Fall im Detail untersuchen: welche Schäden sind im Gehirn in dessen Leben eingetreten und was hat er diesen Schäden entgegengesetzt. Eventuell ist er ein Beispiel dafür, dass der Plaquesbefall sehr groß war und im Verhältnis dazu die koordinativen Aktivitäten zu wenig vielfältig waren. Jedenfalls ist jeder Fall anders und das Gehirn ist zu komplex organisiert, um mit Einzelbeispielen etwas beweisen zu können.
Drei Arten sich zu bewegen, sind zu unterscheiden:
1. Stressfrei: Sport und Bewegung im stressfreien Bereich: Diese Art, sich zu bewegen ist für ältere Menschen geeignet, die von senilen Plaques wenig oder nicht betroffen sind. Spazieren gehen und leichte sportliche Aktivitäten sind natürlich für die körperliche Gesundheit immer zu empfehlen. Aber, wer nicht zu Plaques neigt, bleibt geistig fit auch ohne Sport.
2. Mäßiger Stress: Das sind sportliche Aktivitäten, die sowohl dem Körper als auch dem Geist mäßige Anstrengungen abverlangen. Diese Art ist für alle geeignet, die gesund gelebt haben, aber “zur Vorsicht” etwas tun wollen. Regelmäßig aktiv sein, gehen oder laufen im unwegsamen Gelände, leichte Bergwanderungen oder Skilanglauf im Winter sind zu empfehlen. Dazu noch Übungen, die auch die Balance fordern.
3. Stress betont: Sport und aktive Bewegungseinheiten mit Bewegungsstress, der insbesondere das Hirn fordert, ist für all jene zu empfehlen, die bereits Symptome von Demenz spüren oder eine Diagnose der Krankheit im Frühstadium erhalten haben. Stress betonte Übungen, die heilsam die Neuroplatizität des Gehirns anregen sind individuell, möglichst von geeigneten Therapeuten zu erarbeiten. Beispiele sind: Balancieren, Klettern, Tanzen oder fordernde Bergtouren.
3. Geistige Fitness auch durch geistige Anstrengungen?
Soll man Rätsel lösen und Vokabeln lernen?
Neben diesen Gegenbeispielen gibt es auch noch den generellen Einwand, dass es zu einseitig ist, Bewegung als einzige Möglichkeit zum Erhalt der geistigen Gesundheit im Alter anzusehen. Die Behauptung, ohne Bewegung sei die Demenz vorprogrammiert, löst viel Widerspruch aus: “Netzbau gibt es auch durch geistige Anstrengungen”.
Untermauert wird der Einwand stets damit, dass auch geistige Herausforderungen positive Wirkungen auf den Erhalt der neuronalen Netze haben können: Memory, Sudoku, eine Sprache lernen, Puzzles machen, seine Biographie schreiben, Gedichte lernen, Musik komponieren, Schach spielen und, und, und.

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Durch kognitive Herausforderungen der Demenz begegnen zu können, ist ein allgemeiner Irrglaube. Sich geistig auch noch so zu fordern kann niemals den Schaden auch nur eines senilen Plaques beheben.
Der Ausdruck „Denksport“ ist irreführend. Denken und Sport treiben sind für das Hirn zwei vollkommen unterschiedliche Vorgänge: der Sport schafft die Netzverbindungen, das Denken dagegen nutzt sie (nur). Wer also gesund gelebt hat und keine schadhaften Stellen im Hirn zu befürchten hat, dem reicht es allemal, die bestehenden Netze durch geistige Herausforderungen stabil zu halten.
Der endgültige wissenschaftliche Beweis, dass nur Bewegung Demenz verhindern kann, steht noch aus. Aber wie die Kindern in ihren ersten Jahre die Netze für das Gehen, Radfahren, Schwimmen etc. bauen und erweitern, beweist, wie neuronale Schaltkreise entstehen: erst durch die Bewegung selbst. Und dass man schadhaften Stellen im Gehirn nur durch Bewegung begegnen kann, zeigt die Behandlung von Schlaganfallpatienten. Sie können bestätigen, dass sie niemals durch kognitive Herausforderungen, sondern nur durch Bewegung und ständigem Wiederholen wenigstens einen Teil ihrer Gesundheit wieder erlangt haben.
Beides, Sport treiben und sich kognitiv fordern, das ist der Königsweg für körperliche und geistige Fitness bis ins hohe Alter.