1-9. Morbus Parkinson

Intakte Kognition – gestörte Koordination


Die Substantia nigra ist eine sehr kleine Region im Gehirn, hat aber große Bedeutung für die Koordination der Bewegung. Sie ist etwa so groß wie ein Schusser und heißt „Schwarze Substanz“, weil sie im Gehirn sehr leicht durch ihre dunkle Einfärbung (Neuromelanin) erkennbar ist. Von großer Bedeutung ist sie, weil sie nach Bedarf Bewegung anstößt, erhält oder beendet. Bei der Parkinsonerkrankung sterben in der Substantia nigra die Neuronen ab und die Folge sind der zunehmende Verlust der Kontrolle über willkürliche Bewegungen.


Gestörte Bewegung

Morbus Parkinson ist im klassischen Sinne eine Form der Demenz, aber eigentlich doch keine, weil die geistige Leistungsfähigkeit erhalten bleibt. Ganz im Gegensatz zur Fähigkeit, die ansonsten so selbstverständlich ablaufenden Bewegungen zu kontrollieren. Die Ursachen für die Krankheit sind, wie bei der Demenz, abgestorbene Neuronen und deshalb nicht mehr funktionierende Schaltverbindungen in der schwarzen Substanz.

(Parkinson: Apotheken Umschau)


Gestört werden die neuronalen Netze durch die sogenannten Lewy-Körperchen, eine besondere Form von Eiweißverklebungen (hier das Eiweiß Synuclein) , die speziell dort das Gehirn schädigen. Nur wenige abgestorbene Neuronen in der Substantia nigra (im Verhältnis zu den 100 Mrd. des Gesamtgehirns) sind es, aber in der Folge dieser Schädigungen wird der Botenstoff Dopamin nicht mehr ausreichend produziert, und es können die Signalübertragungen im Gehirn zur Kontrolle der weichen Bewegungsabläufe nicht mehr störungsfrei ablaufen.

Das führt dann zu den typischen Symptomen: Zittern (Tremor), verlangsamte Bewegungen (Hypokinese), Muskelsteifigkeit (Rigor) und eine gestörte Haltungsstabilität. Interessanterweise gibt es oft schon Jahre vorher Hinweise für die Erkrankung, die in Summe ernst genommen und zur Vorstellung beim Neurologen führen sollten. Wenn es zu nicht erklärbaren Einschränkungen des Geruchs, vermehrter Neigung zur Verstopfung und Zunahme unruhiger Träume in der Nacht kommt, können das bereits Jahre vor dem Auftreten motorischer Symptome erste Hinweise für eine Parkinsonerkrankung sein.

Will man Parkinson in Schach halten, braucht es daher neben der medikamentösen Ergänzung des Botenstoffes Dopamin äußere Gegebenheiten, die dem Gehirn für einen gewünschten Bewegungsablauf in rascher Abfolge gezielte Bewegungskorrekturen abverlangen. Drei erfolgreiche Ansätze dafür sind ein wackliger Untergrund (Balance) ein kleiner schneller Ball (Tischtennis) und Musik mit einem schnellen Rhythmus (Tanzen). Parkinson therapieren ist also keine Einzeldisziplin sondern eher ein „Dreikampf“:


1. Der Tanz:
Gesunder Spaß für schnelle Beine

Freude an der Bewegung haben und gleichzeitig die körperliche Leistungsfähigkeit verbessern, ist das Ziel. Dafür ist Tanz eine geeignete Form. Die Musik wirkt positiv auf die Stimmung und gibt den Takt für die Bewegung vor. So wird der ganze Körper beansprucht und die Wirkung im Gehirn macht der Rhythmus. Er zwingt es, für die einzelnen Bewegungsschritte in schneller Abfolge Tremor, Hypokinese und Rigor zu unterdrücken.

Um positive Effekte zu erreichen, braucht es allerdings Regelmäßigkeit und Wiederholung. Zu empfehlen ist pro Woche ein Tanztraining von mindestens einer Stunde. So bekommt das Gehirn die nötigen Impulse, um sich speziell in der Substantia nigra zu erneuern: Neuroplastizität gegen das Zittern.


2. Balancieren bei jeder Gelegenheit

Jeder der unter Parkinson leidet, sollte regelmäßig balancieren. Jeder Baumstamm am Wegrand bietet sich an oder ein Balken daheim, wenn man einen Garten hat. Zuerst geht es natürlich noch nicht ohne Probleme. Regelmäßiges üben, möglichst nur ein paar Minuten, dafür aber täglich, sind nötig. Die Wirkung im Gehirn ist wie die beim Tanzen. Um nicht zu fallen müssen die Ausgleichsbewegungen sehr schnell erfolgen und das geht nur, wenn sie vom Gehirn automatisch blitzschnell gestartet und gestoppt werden.

Damit wird jener heilsame Stress ausgelöst, der das Hirn zwingt, die Bewegungen in Sekundenbruchteilen zu starten und zu stoppen. So werden mit der Zeit die neuronalen Lücken in der schwarzen Substanz repariert und mit viel Fleiß erhält man auch die gewünschte Bewegungskontrolle für den Alltag zurück.


3. Tischtennis
Ein sportliches Gemeinschaftserlebnis

Die Idee, Tischtennis zu spielen, um Parkinson in den Griff zu bekommen, stammt aus Amerika. Dort wurde es als eine Form der Therapie nachweislich erfolgreich eingesetzt. Im Jahr 2017 gelangte die Idee nach Deutschland. So etwa in Dachau, wo sich eine Selbsthilfegruppe gründete, die beim Sportverein TSV 1865 Dachau angebunden ist. Ihre erfolgreiche Arbeit mit Tipps für Betroffene findet man im Netz:

( parkinsontreff-karlsfeld.jimdofree.com )

Ziel der Organisation ist das sportliche Gemeinschaftserlebnisse und Parkinson-Erkrankte aus der Selbstisolation zu holen. So steht das Gruppenerlebnis, der Spaß und nicht zuletzt die Stärkung des Selbstwertgefühls gleichberechtigt neben dem mittlerweile durch Studien bestätigten Therapieerfolg. Schließlich würden in den regelmäßigen Trainingsstunden „Ausdauer, gute Beinarbeit, schnelle Reaktionen und viel Balance“ gefordert. Und für das Gehirn ist Tischtennis spielen deshalb so bedeutend, weil der schnelle Ballwechsel ihm schnell Bewegungskorrekturen abverlangt. Nach jeder Stunde Training werden die Netze in der schwarzen Substanz ausgebessert oder ganz neue Verbindungen geschaffen.

Es gibt begründete Hoffnung!

Parkinson gilt bis heute als unheilbare Krankheit. Hoffnung, die Krankheit wenigstens in den Griff zu bekommen, gibt es aber mittlerweile und es ist wie bei der klassischen Demenz gezielte Bewegung. Für Betroffene mindestens ebenso wichtig sind die Selbsthilfegruppen, die sich mittlerweile lokal, regional und auch bundesweit etabliert haben. Die gesammelten Erfahrungen von Parkinson-Betroffenen, wie man etwa den Krankheitsverlauf zugunsten des Erhalts von Lebensqualität beeinflussen kann, haben mittlerweile auch ihren Weg in die Forschung und den klinischen Alltag gefunden.

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1-8. Vergesslichkeit, nur ein Mangel an Neugier?

Bin ich krank oder nur vergesslich?

Viele ältere Menschen sehen in der Vergesslichkeit schon die Vorboten einer Alzheimer-Erkrankung. Aber Vergesslichkeit ist im Alter normal. Also Entwarnung? Leider nein! Bei der Hälfte der „vergesslichen Alten“ findet man die Ursache im Gehirn und sie sind später auch von Demenz betroffen. Erst einmal abwarten und unbesorgt sein ist also keine Option.

Problematisch wird es, wenn zur Vergesslichkeit hinzu kommt, dass auch die alltäglichen Bewegungen zögerlich und unsicher werden oder die Orientierung nachlässt. Dann sollte der Hausarzt bemüht werden. Es gibt Untersuchungsmöglichkeiten, mit deren Hilfe sich feststellen lässt, ob es tatsächlich eine beginnende Demenz ist.


Was sind die Ursachen der Vergesslichkeit?

Erforscht wird alles und natürlich gibt es auch Studien zur Vergesslichkeit im Alter. Und es gibt auch Theorien, die in komplizierten Worten erklären, wie es sein könnte. Zuletzt muss die Forschung aber eingestehen: die genauen Ursachen für Altersvergesslichkeit sind nicht bekannt. (Näheres: https://www.alzheimer-bw.de/grundwissen-demenz/demenz-oder-normale-vergesslichkeit/)


Wollte man wissen, warum im Alter so viele Menschen nur vergesslich, nicht aber dement werden, dann müsste man wohl an anderer Stelle als dem Gehirn nach den Ursachen suchen. Vielleicht ist es nicht das Gehirn, sondern die Einstellung alter Menschen zum Leben: mangelnde Aufmerksamkeit, fehlende Neugierde, wenig Interesse an den Mitmenschen und ihren Geschichten, bis hin zu einem gewissen Überdruss an der Welt. Mit Demenz hat das nichts zu tun.

Kinder dagegen platzen vor Neugier! Sie wollen alles wissen und die Frage „warum“ können viele Eltern nicht mehr hören. Dabei gibt es bei Kindern kein zu viel an Neugier, eher ein zu wenig bei den Älteren. Leider ist uns im Alter abhandengekommen, nach dem Warum zu fragen, wie Kinder neugierig zu sein und die Welt jeden Tag wieder mit Staunen zu betrachten. Alexis Sorbas ist jene berühmte literarische Figur von Nikos Kazantzakis, die sich noch als alter Mann die Neugierde und Begeisterungsfähigkeit des Kindes bewahren konnte:

Begeisterungsfähigkeit des Kindes

„Er besaß alles … die schöpferische, jeden Morgen sich erneuernde Naivität, unaufhörlich alles zum ersten Mal zu sehen und den ewigen alltäglichen Elementen Jungfräulichkeit zu geben – dem Wind, dem Meer, dem Feuer, der Frau, dem Brot, die Sicherheit der Hand, die Frische des Herzens und die Tapferkeit, seine eigene Seele zu verlachen …“ (Nikos Kazantzakis: „Alexis Sorbas“)

Vergesslichkeit also ist ein Mangel. Ein Mangel an Neugier und Aufmerksamkeit und stattdessen eine zunehmende Interesselosigkeit an den Vorgängen der Welt. Man entfernt sich sozusagen in Trippelschritten langsam von einer Welt, in der man sich auskannte, die aber Jahr für Jahr weniger zu bieten hat.

Demenz dagegen ist eine Krankheit. Eine Krankheit, die dem Menschen Plaque für Plaque das Gedächtnis und die Beweglichkeit nimmt, die im Leben lange selbstverständlich waren.


Wann ist es Zeit, zum Arzt zu gehen?

Antwort: Wenn z.B. eine Person, die immer Spaß am Kochen hatte, in die Küche geht und dort nicht mehr weiß, was sie holen wollte, dann ist es Vergesslichkeit. Wenn die Person aber in der Küche steht und nicht mehr kochen kann, weil ihr die Küchengeräte fremd geworden sind und es auch nicht mehr schafft, gedanklich ein Menü voraus zu planen, dann wird’s bedenklich.

Oder wenn man als begeisterter Handwerker in die Werkstatt geht und sich mit den Werkzeugen nicht mehr zu Recht findet und im Kopf nicht mehr den Bau eines Vogelhäuschen planen kann, spätestens dann wird es Zeit zum Arzt zu gehen. Wie bereits oben ausgeführt, könnten eine Vielzahl von Demenzerkrankungen vermieden werden, wenn Einschränkungen der Sinnesfähigkeiten z.B. durch Hörgerät und/oder Brille frühzeitig korrigiert werden, die allgemeinen Gefäßrisikofaktoren, wie Blutdruck, Cholesterin und Blutzucker gut eingestellt werden. Daher macht es Sinn, bereits bei einsetzender Vergesslichkeit im Alter, einen Check der Hirngesundheit beim Arzt durchführen zu lassen. (S.D. Singh, et al. Front. Neurol. 2023;

1291020. doi: 10.3389/fneur.2023.1291020)


Die Formel für beginnende Demenz

Aus den Beispielen mit der Hausfrau und dem Hobbybastler, die sich in ihrer gewohnten Umgebung nicht mehr zu Recht finden, lässt sich gut auch eine allgemeine Formel entwickeln, wann es nicht mehr Vergesslichkeit ist, sondern der Beginn der gefährlichen Alterskrankheit: wenn aus den Signalen, die aus den Sinnen in die Steuerungszentrale Gehirn kommen, keine planvollen Handlungsanweisungen mehr entwickelt werden und in keine sinnvolle Vorgehensweise mehr umgesetzt werden können, dann sollte man sich ernsthafte Gedanken über seinen gesundheitlichen Zustand machen.

Dies lässt sich auch am praktischen Beispiel der Orientierung darstellen. Nach dem Einkauf steht man vor dem Geschäft und weiß plötzlich nicht mehr, wie man nach Hause kommt. Um jetzt einen kurzen und für zu Fuß sicheren Heimweg zu finden ist es notwendig, die “innere Landkarte” zu öffnen. Wenn auch dies nicht mehr gelingt, ist es wirklich höchste Eisenbahn.

Die Demenz zu vermeiden ist eine Frage der Bewegung. Die der Vergesslichkeit dagegen ist eine Frage der inneren Einstellung.

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1-7. Wenn das Hirn krank wird:

Unterscheidung nach Arten und Verlauf


Wenn man sich vor Augen führt, welche Bedeutung der Bewegung bei der Entstehung und Entwicklung des Geistigen zukommt, dann liegt der Schluss nahe, es ist nicht das hohe Alter, das die Demenz fortschreiten lässt, sondern die von Jahr zu Jahr nachlassende Bewegung, mangelnde Neugier, soziale Isolation und die nachlassende Bereitschaft, sich zu wandeln. Alzheimer ist demnach keine schicksalsgegebene Alterskrankheit, sondern auch eine Folge eines ungesunden Lebensstil, welcher viel mit eingeschränkter Bewegung zu tun hat, was in zahlreichen wissenschaftlichen Studien belegt werden konnte (Livingston et al. Lancet 2024)

Einteilen lässt sich die Krankheit nach ihrer Art in drei Gruppen und nach ihrem zeitlichen Verlauf in drei Phasen. Die Art der Demenz bezieht sich auf die unterschiedlichen Formen im Gehirn der Betroffenen, der Verlauf dagegen bezieht sich auf die körperlichen Auswirkungen der Krankheit. Quelle BGM:

https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Pflege/Broschueren/BMG_Ratgeber_Demenz_bf.pdf

1. Die drei Arten der Demenz:

– Die häufigste Form der Demenz ist die Alzheimer-Krankheit. Alois Alzheimer fand vor mehr als 100 Jahren im Gehirn einer Patientin Eiweißablagerungen und mittlerweile weiß man, dass sich die schädlichen Eiweiße in den Nervenzellen selbst und an den Verbindungen zwischen den Nervenzellen anlagern. Diesem Prozess wird die Mehrzahl (65 Prozent) der Demenzfälle zugeordnet und er ist eine Folge des Abbauprozesses des Gehirns im Alter. Diese Eiweißablagerungen (sog. Amyloid-Plaques und Tau-Fibrillen) im Gehirn finden sich aber auch bei Menschen, die während ihres Lebens nie Anzeichen einer Demenz hatten, so dass wahrscheinlich weitere, noch nicht genau bekannte Ko-Faktoren eine wichtige Rolle beim Zustandekommen der Erkrankung spielen. Hier spielen neben den klassischen Gefäßrisikofaktoren (Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen und Rauchen) auch chronische Entzündungsprozesse, die Ernährung und eben auch die mangelnde körperliche Aktivität eine wichtige Rolle..

– Bei Gruppe zwei, der gefäßbedingten, sog. vaskulären Demenz, mit rund 30 % an den Demenzformen ist die Krankheit die Folge nicht speziell des Alters, sondern zahlreicher, meist kleiner Durchblutungsstörungen im Gehirn, die zu kleinen Mini-Schlaganfällen (Infarkten) führen können. In der Mehrzahl ist die vaskuläre Demenz eine Folge der unkontrollierten Gefäßrisiko-faktoren, die man auch als „Demenzbeschleuniger“ bezeichnen könnte. Was man dagegen tun kann ist klar: gesünder leben.

– Die Gruppe drei, das sind die 5 % der Demenzen, die durch andere, potenziell behandelbare Erkrankungen verursacht werden. Hierzu zählen Gehirntumore, Schilddrüsenunterfunktion, Vitamin-B12 Mangel, Hirnentzündungen, chronischer Hirndruck, Schlaganfälle oder erblich bedingte Erkrankungen. Aus diesen Gründen gehört zu jeder Demenzabklärung eine gründliche internistische und neurologische Untersuchung.

Für 5 Prozent ist es Schicksal, für 30 Prozent der liederliche Lebenswandel und für 65 Prozent einfach nur das Alter


2. Die drei Phasen des Verlaufs von Demenz:


Wenn man die Diagnose Demenz zur Kenntnis nehmen muss, bringt das Ängste, Unsicherheit und Sorgen mit sich. Besonders auch deshalb, weil die Krankheit immer noch nicht heilbar ist und allenfalls der Verlauf verzögert werden kann. In der Medizin spricht man dann von Sekundärprophylaxe, also bei bereits bestehender Diagnose, den Verlauf der Erkrankung zu verzögern bzw. positiv zu beeinflussen. Auch hierbei spielen viele Lebensstilfaktoren eine wichtige Rolle, wie wir später noch detaillierter ausführen werden.


Alle geistigen Bereiche

Die Beeinträchtigungen durch die Altersdemenz umfassen alle geistigen Bereiche: das Denken, die Emotionen und die sozialen Fähigkeiten. Gestört ist die Sprache, die Motorik, das Identifizieren und schließlich die Exekutivfunktionen, also Planen, Organisieren und Reihenfolgen einhalten.


Am Anfang der Erkrankung stehen Störungen des Kurzzeitgedächtnisses und der Merkfähigkeit. Es beginnt mit Defiziten beim Lernen, beim Merken und dem Sprachfluss. Auch die Feinmotorik lässt in dieser Phase schon etwas nach. Man vergisst Termine, fühlt sich leicht reizbar und an unbekannten Orten alleine unsicher. Auf einem Bein stehen oder balancieren sind schon kaum mehr möglich.


Im mittleren Stadium ist das Gedächtnis schon deutlich betroffen und es folgen Störungen in der Orientierungsfähigkeit oder bekannte Personen werden nicht mehr erkannt. Immer weniger können die Betroffenen auf das
Langzeitgedächtnis zurückgreifen, so dass man auch die im Leben erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten verliert. Sie leben vermehrt in der eigenen Realität und wenn sie in Situationen kommen, die sie nicht einschätzen können, reagieren sie zuweilen aggressiv oder mit unbegründeten Ängsten. Die Menschen sind in sich gekehrt und häufig kommt es zu Verhaltens- und Wesensveränderungen.

Im fortgeschrittenen Stadium verlernen die Patienten altbekannte Fertigkeiten und erkennen auch nahestehende Personen und alltägliche Gegenstände nicht mehr wieder. Im Alltag kommt man nicht mehr alleine zurecht und benötigt pflegerische Unterstützung. Da auch die Gefühle ein Produkt des Geistes sind, sind auch diese von der Krankheit betroffen. Patienten, die vorher friedfertig waren, geraten für Außenstehende scheinbar unbegründet in Wutausbrüche. Schuldgefühle und Selbstreflexion nehmen mehr und mehr ab. Das Kauen und Schlucken fällt schwer. Und auch Bewegung fällt immer schwerer und verliert sich zuletzt komplett.

Zuerst verliert sich das Merken, dann schwindet die Orientierung und zuletzt geht das ICH verloren

3. Verlust der Beweglichkeit durch Demenz: Die Balance, das erste Opfer der Plaques

Bei der senilen Demenz richtet sich die Aufmerksamkeit im Wesentlichen nur auf den Verfall der geistigen Fähigkeiten. Doch es gibt auch den Verfall der Beweglichkeit durch Demenz. Weil es viele körperliche Ursachen gibt, warum im Alter die Beweglichkeit abnimmt, wird es als eine natürliche Begleiterscheinung angesehen und zu wenig in Zusammenhang mit der geistigen Ursache Demenz gebracht.

Ein Grund für den Verfall der Beweglichkeit im Alter ist die Kombination von Eiweißablagerungen im Gehirn (sog. Amyloid-Plaques), verminderter Neuroplastizität und mangelnder sportlicher Betätigung. Demenz und Beweglichkeit verstärken sich wechselseitig und wenn die neuronalen Netze des Gehirns im Alter gestört werden, ist die Beweglichkeit das nächste Opfer.

Bewegung geht in drei Stufen verloren:


Die zentrale Aufgabe der neuronalen Schaltkreise ist die Koordination unserer Bewegungsabläufe. Wenn diese Netze im Hirn brüchig werden, dann werden unsere Bewegungen unsicher und zögerlich. Mit fortschreitender Demenz gehen mehr und mehr Fähigkeiten, sich wie gewohnt zu bewegen, verloren. Und der Verlust der Beweglichkeit erfolgt dabei in zwei Stufen: zuerst verliert sich Fähigkeit zu koordinativ fordernden Bewegungsabläufen und erst viel später der zu Bewegungsmustern, die das Gehirn nur wenig fordern.

In drei Phasen kann man diesen Verlust der Beweglichkeit durch senile Plaques einteilen:

Am Anfang der Erkrankung geht die Balance verloren. Die Bewegungsabläufe werden zögerlich und sobald es uneben ist, wird auch das Gehen unsicher. Schon kleinere Stolperer können zu Stürzen führen und es wird immer schwieriger, einen stabilen Rhythmus zu finden und ihn dann länger zu halten.


Verlust der Balance

Im weiteren Verlauf werden Hilfen benötigt. Geländer für das Treppensteigen, ein Stock für das bloße Spazierengehen und ein Gehwagen für’s Einkaufen. Die Geschicklichkeit im Haushalt, bei der Gartenarbeit oder beim Handwerken geht verloren, bis man diese Dinge gar nicht mehr beherrscht.


Zuletzt führen die senilen Plaques zum vollkommenen Verlust, Bewegung zu steuern und die Muskeln zu koordinieren. Fort bewegen ist nur noch mit dem Rollstuhl möglich, selbstständig essen wird zunehmend unmöglich.

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1-6. Die kognitiven Fähigkeiten des Menschen?

Informationen speichern und verarbeiten, um die Welt zu interpretieren

Schier unbegrenzte körperliche Fähigkeiten

Dass der Mensch angeblich zwanzig höhere kognitive Fähigkeiten hat, ist umstritten. Experimente mit Tieren zeigen, diese können zumindest in Ansätzen viel mehr, als ihnen zugetraut wird und der Abstand bei den kognitiven Fähigkeiten wird von mal zu mal geringer. Trotzdem bleibt zwischen Tier und Mensch eine Lücke, die ohne Zweifel den besonders ausgeprägten neuronalen Netzen für unsere schier unbegrenzten körperlichen Fähigkeiten zuzuschreiben sind.


Der Mensch verweist stets auf seine besonders hochstehenden kognitiven Fähigkeiten, wenn es ihm darum geht, sich von den Tieren abzugrenzen. Allerdings sind ihm diese nicht ohne eigenes Zutun dauerhaft gegeben. Mit zunehmenden Alter sollte man sich deshalb näher mit dem Thema Kognition befassen, sich darüber informieren und zuletzt auch darum kümmern, dass die Fähigkeiten erhalten bleiben.

Bewegung bildet die Netze, der Geist benutzt sie


Für die Ausübung kognitiver Fähigkeiten bildet das Gehirn keine eigenen neuronalen Netze aus, sondern verwendet dafür jene, die es für die Koordination der Bewegung geknüpft hat. Wenn es aber nur ein gemeinsames Netz für Koordination und Kognition gibt, dann gilt es, dieses durch vielseitige und anspruchsvolle Bewegung zu bewahren, um für das Geistige möglichst große und fein gesponnene Netze zur Verfügung zu haben.


Definition Kognition: Bei allen Lebewesen, wenn sie Informationen wahrnehmen, verarbeiten und mit durch Erfahrung erworbenen Informationen verbinden, um die Welt zu bewerten und zu interpretieren, dann findet Kognition statt. Menschen haben zudem die Fähigkeit, diese Informationen in geeigneter Weise so umzuwandeln, dass sie im Leben bei passender Gelegenheit möglichst folgerichtig angewandt werden können. https://de.wikipedia.org/wiki/Kognition



Diese so definierte Fähigkeit der Informationsverarbeitung ist eine Eigenschaft des Geistes, die nicht allen Menschen in gleicher Weise gegeben ist und die bei vielen leider auch im Laufe des Lebens wieder nachlässt. Was sich bei den Kindern in ihrem Entdeckungs- und Bewegungsdrang scheinbar automatisch findet, verliert sich später (wie der Bewegungsdrang) bei zu geringer Nutzung von selbst. Was wir im Deutschen für die Gelenke gereimt haben „Wer rastet , der rostet“ lässt sich im Englischen umfassender gerade auch auf das Gehirn anwendbar in den Worten „Use it or lose it“ finden.

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1-4. Die Entwicklung des Denkens

„Surfen“ auf den Netzen der Bewegung

Eine für das Gehirn entscheidende Entwicklung war in der Evolution dann die „Erfindung“ des aufrechten Gangs vor rund vier Millionen Jahren. Mit ihm erfolgte der Übergang zu den Menschenaffen und diese Wesen, die nicht mehr auf allen Vieren krochen, sondern auf zwei Beinen das Gleichgewicht halten mussten. Dazu brauchten sie ein besonders gut ausgestattetes Gehirn. Um Stabilität auf zwei Beinen zu gewährleisten bedurfte es einer wahren Explosion von neuen Schaltverbindungen und Schaltkreisen in einem dafür vergrößerten Gehirn.

Eine zweibeinige Lebensweise war für das Gehirn auch deshalb eine große Herausforderung, weil es die durch die Sinne gelieferten visuellen Informationen aus dem Untergrund und der Umgebung wie in einem Rechenzentrum in Befehle für jeden einzelnen Muskel umrechnen muss, um komplexe Fortbewegung sturzfrei abwickeln zu können. Und nach dem der Mensch mit dem aufrechten Gang einmal begonnen hat, ging es mit den Herausforderungen erst richtig los.

Seither, also seit 4 Mio. Jahren, optimiert das Gehirn den aufrechten Gang vom einfachen Gehen über das Laufen und Springen im Gelände bis hin zum Balancieren und schließlich sogar das „Gehen“ auf Händen. Die dafür entstandenen riesigen Netze machten schließlich die kognitiven Leistung möglich und man kann sagen, das heutige Denken ist eigentlich ein zufälliges Nebenprodukt der besonders komplex zu koordinierender Fortbewegung auf zwei Beinen.


Augen und Hände im Zusammenspiel

Mit dem aufrechten Gang wurden beim Menschen die Hände frei. Das Zusammenspiel geschickter Hände mit den Augen, verknüpft durch das Gehirn, machte alles möglich: den Faustkeil, das Tongefäß und das Jagen mit dem Speer.


Schließlich war es in der Evolution dann so weit: das Bewusstsein, die Sprache und das Denken konnten entstehen. Der Verstand lernte die für die Bewegung gebildeten komplexen Schaltkreise zu nutzen, sozusagen auf den neuronalen Netzen regelrecht zu “surfen”. Zuerst war das Laufen, Jagen und komplex Hantieren und danach alles Kognitive: die Wörter, das Denken, das Lernen und Merken.


Vorbereitung für die Schule

Der gleiche Vorgang, wofür die Evolution Millionen von Jahren gebraucht hat, spielt sich bei jedem Kleinkind rasend schnell ab. Durch die zunehmenden körperlichen Aktivitäten bilden und verfeinern sich die Schaltkreise des Kindes, bis sie dann für die Verstandesleistungen bereit sind.


Bewegungsstress, die Kinder leben ihn

Nach der Geburt vergehen in der Regel sechs Jahre bis zum Schulbeginn. Diese Zeit der frühen Kindheit ist davon geprägt, dass sich jene Netze im Gehirn bilden, die den Anforderungen der Schule dann genügen sollten. Bei der Netzbildung ist jeder neu zu erlernende Bewegungsablauf zur Erweiterung der Schaltkreise von Nutzen.

Der natürliche Bewegungsdrang: An jedem Spielplatz kann man es sehen: die Kinder hüpfen, klettern, balancieren und die Mütter sitzen am Rand. Noch nirgendwo hat man es umgekehrt gesehen.

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1. Der Geist: Vom Entstehen und Vergehen des Denkens

Inhalt 1. Abschnitt

Im Abschnitt „Der Geist“ wird die besondere Bedeutung von Bewegung für die Entstehung und die Entwicklung des Geistes dargestellt. Wie Bewegung in der Evolution von Art zu Art vielfältiger wurde und parallel dazu die geistigen Möglichkeiten sich ständig erweiterten. Zuletzt hat der Mensch mit seinen besonders ausgeprägten körperlichen Fähigkeiten dann erneut die Grenzen des geistig möglichen in dem Maße verschoben, dass er über „Gott und die Welt“ reflektieren kann.


1. Urknall der Bewegung und des Denkens

Alles geistige Leben entstand mit einer ersten Bewegung

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2. Kognition: die Herausbildung des rein Geistigen

War der Paarungstrieb der erste kognitive Vorgang?

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3. Viele Muskeln, großer Geist?

Die Evolution des Geistes durch immer komplexere Bewegung

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4. Bewegungsstress, die Kinder lieben ihn

Die Entwicklung des Geistes bei den Kindern

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6. Die kognitiven Fähigkeiten des Menschen

Informationen speichern und verarbeiten, um die Welt zu interpretieren

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7. Die sechs Hilfsfunktionen gelingender Kognition

Vom Glück, sich die Neugier und die Freude am Lernen bewahren zu können

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8. Demenz

Der Niedergang des Kognitiven

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9. Vergesslichkeit

Harmlos oder bin ich krank?

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10. Morbus Parkinson

Intakte Kognition – gestörte Koordination

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