4-5. Zweitausend Jahre Christentum

Der Geist ist heilig, das Fleisch sündig und schwach

Im Verhältnis zur umfänglichen Ausarbeitung des Aristoteles über das Wesen der Seele ist Platons Phaidros nur eine schöne Phantasiegeschichte. Und trotzdem hat die Kirche diese zur Grundlage ihres Glaubensgebäudes mit einer unsterblichen Seele, der Auferstehung des Fleisches und einem Heiligen Geist gemacht. Platon lieferte ihr mit seiner dualistischen Trennung eine Steilvorlage und die Kirche hat seine Ideen nur damit erweitert, dass es der allmächtige Gott ist, der am Beginn des Lebens die unsterbliche Seele dem Leib hinzufügt. So war dann über zweitausend Jahre die Seele im Christentum der bessere, weil göttliche Teil des Menschen. Im Gegensatz zum schwachen Fleisch.

Die Kirchenoberen beließen es aber nicht dabei, der Seele Unsterblichkeit zu verleihen, sich gingen noch einen Schritt weiter. Der Geist wurde in der Trinität als Heiliger Geist zur Gottheit erklärt. Diese Gleichstellung des Heiligen Geistes mit Vater und Sohn wurde auf der Synode zu Konstantinopel im Jahr 381 angebahnt und dann bald zur herrschenden katholischen Lehre erhoben. Mehr noch, wer anders dachte wurde zum Ketzer erklärt.

Von einer Religion zum Machtapparat

So konnten ab dem Beschluss auf dem Konzil von der Kirche alle Menschen verfolgt werden, die die sich ihr nicht beugten. Der christliche Kirche wandelte sich von einer Glaubensgemeinschaft zu einem Machtapparat über die Menschen und alle weltlichen Institutionen. ( Wikipedia: Erstes Konzil von Konstantinopel) und (Heiligenlexikon: Konzile von Konstantinopel)

Eine Lehre, die den menschlichen Körper zu einer vernachlässigbaren Größe macht, hat sich, wie wir heute wissen, als verhängnisvoll erwiesen. Schlimmste Verbrechen, angefangen von den Kinderkreuzzügen bis zum Kindesmissbrauch in heutiger Zeit haben ihre letzte Grundlage darin, den menschlichen Körper als des Teufels anzusehen und ihn für „vogelfrei“ zu erklären.


Leibfeindlichkeit des Christentums

Mit der Erhöhung von Geist und Seele ging eine folgenschwere Herabsetzung des Körpers einher. Das Fleisch ist schwach. Es wurde als sündiger Teil des Menschen regelrecht gegeißelt. Statt der Ertüchtigung des Körpers wurde dessen Vernachlässigung das Wort geredet


An Einfältigkeit nicht zu überbieten

Dass einzelne Priester, die Kinder sexuell missbrauchten, dabei nicht bedachten, dass sie auch deren Seelen zerstören, hat wohl auch seine tiefere Ursache in der Trennung von Leib und Seele. Allerdings, dass sie wirklich geglaubt haben, die von Gott geschaffene Seele bleibe als vom Körper unabhängiger Teil rein und unbefleckt, ist aus heutiger Sicht an Einfältigkeit nicht zu überbieten.

Wollte die Kirche sich wirklich reformieren, um sich für die Zukunft wieder als eine glaubwürdige Institution zu etablieren, müsste sie die dualistische Trennung und die 381 n. Chr. vollzogene Erhöhung der Seele zum Heiligen Geist revidieren. Für ihre zukünftige Arbeit müsste sie die Sorge um den menschlichen Körper der Seelsorge gleichstellen. Dass mit alledem die Unsterblichkeit der Seele gleich mit ins Wanken gerät, würde allerdings an den Grundfesten ihres Glaubens rütteln.


Solange die christlichen Kirchen die Seele des Menschen als göttlich betrachten, und seinen Leib als des Teufels verachten, sind in ihren Institutionen dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet


„Der Name der Rose“

Umberto Eco’s Roman „Der Name der Rose“ ist eine einzigartige Beschreibung, wie in einem Bendiktinerkloster noch im 14. Jhd. mit tödlicher Unerbitterlichkeit die Auseinandersetzungen zum Verhältnis von Leib und Seele geführt wurden. Der Autor lässt bei der Suche zur Aufklärung der Morde im Kloster Logik und Irrglaube, Wissenschaft und Offenbarung, Philosophie und Kirche aufeinanderprallen.

Damit Platons Philosophie von der unsterblichen Seele gewahrt bleibt, müssen die Erkenntnisse des Aristoteles von der Einheit von Körper und Seele dort im Kloster unbedingt unter Verschluss bleiben. Entweder man bekennt sich zum Heilgen Geist oder man ist ein Ketzer.

Der im Buch dargestellte William von Baskerville, der zur Aufklärung der Morde bei den Benediktinern verweilt, ist bei Eco der historisch belegte belegte Franziskanermönch Wilhelm von Ockham, der von der Kirche wegen seiner Thesen zum Ketzer erklärt wurde. Im Roman kann sein Synonym mit seiner logischen Vorgehensweise die Morde aufklären, musste aber vom Kloster fliehen. Der Roman gipfelt im Verbrennen der Bibliothek, damit niemand an die Schriften der Erkenntnis gelangt und so das Mittelalter erhalten bleiben kann. Was immerhin noch einige Zeit gelang, wie die Geschichte zeigte.

„Der Name der Rose“ kann demnach auch als Roman zur mittelalterlichen Auseinandersetzung zwischen der Philosophie der Logik eines Wilhelm von Ockham und der Offenbarungslehre der Papstkirche, die damals in Avignon ihr Zentrum hatte.


Bevor sich mit dem Philosophen Friedrich Nietzsche Mitte des 19. Jahrhunderts die Einstellung zum Körper wieder ins Positive wandelte, hat René Descartes als Philosoph und Naturwissenschaftler im 16. Jahrhundert der Kirche noch einmal den Rücken gestärkt. Mit fatalen Folgen.

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