1-7. Wenn das Hirn krank wird:

Unterscheidung nach Arten und Verlauf


Wenn man sich vor Augen führt, welche Bedeutung der Bewegung bei der Entstehung und Entwicklung des Geistigen zukommt, dann liegt der Schluss nahe, es ist nicht das hohe Alter, das die Demenz fortschreiten lässt, sondern die von Jahr zu Jahr nachlassende Bewegung, mangelnde Neugier, soziale Isolation und die nachlassende Bereitschaft, sich zu wandeln. Alzheimer ist demnach keine schicksalsgegebene Alterskrankheit, sondern auch eine Folge eines ungesunden Lebensstil, welcher viel mit eingeschränkter Bewegung zu tun hat, was in zahlreichen wissenschaftlichen Studien belegt werden konnte (Livingston et al. Lancet 2024)

Einteilen lässt sich die Krankheit nach ihrer Art in drei Gruppen und nach ihrem zeitlichen Verlauf in drei Phasen. Die Art der Demenz bezieht sich auf die unterschiedlichen Formen im Gehirn der Betroffenen, der Verlauf dagegen bezieht sich auf die körperlichen Auswirkungen der Krankheit. Quelle BGM:

https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Pflege/Broschueren/BMG_Ratgeber_Demenz_bf.pdf

1. Die drei Arten der Demenz:

– Die häufigste Form der Demenz ist die Alzheimer-Krankheit. Alois Alzheimer fand vor mehr als 100 Jahren im Gehirn einer Patientin Eiweißablagerungen und mittlerweile weiß man, dass sich die schädlichen Eiweiße in den Nervenzellen selbst und an den Verbindungen zwischen den Nervenzellen anlagern. Diesem Prozess wird die Mehrzahl (65 Prozent) der Demenzfälle zugeordnet und er ist eine Folge des Abbauprozesses des Gehirns im Alter. Diese Eiweißablagerungen (sog. Amyloid-Plaques und Tau-Fibrillen) im Gehirn finden sich aber auch bei Menschen, die während ihres Lebens nie Anzeichen einer Demenz hatten, so dass wahrscheinlich weitere, noch nicht genau bekannte Ko-Faktoren eine wichtige Rolle beim Zustandekommen der Erkrankung spielen. Hier spielen neben den klassischen Gefäßrisikofaktoren (Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen und Rauchen) auch chronische Entzündungsprozesse, die Ernährung und eben auch die mangelnde körperliche Aktivität eine wichtige Rolle..

– Bei Gruppe zwei, der gefäßbedingten, sog. vaskulären Demenz, mit rund 30 % an den Demenzformen ist die Krankheit die Folge nicht speziell des Alters, sondern zahlreicher, meist kleiner Durchblutungsstörungen im Gehirn, die zu kleinen Mini-Schlaganfällen (Infarkten) führen können. In der Mehrzahl ist die vaskuläre Demenz eine Folge der unkontrollierten Gefäßrisiko-faktoren, die man auch als „Demenzbeschleuniger“ bezeichnen könnte. Was man dagegen tun kann ist klar: gesünder leben.

– Die Gruppe drei, das sind die 5 % der Demenzen, die durch andere, potenziell behandelbare Erkrankungen verursacht werden. Hierzu zählen Gehirntumore, Schilddrüsenunterfunktion, Vitamin-B12 Mangel, Hirnentzündungen, chronischer Hirndruck, Schlaganfälle oder erblich bedingte Erkrankungen. Aus diesen Gründen gehört zu jeder Demenzabklärung eine gründliche internistische und neurologische Untersuchung.

Für 5 Prozent ist es Schicksal, für 30 Prozent der liederliche Lebenswandel und für 65 Prozent einfach nur das Alter


2. Die drei Phasen des Verlaufs von Demenz:


Wenn man die Diagnose Demenz zur Kenntnis nehmen muss, bringt das Ängste, Unsicherheit und Sorgen mit sich. Besonders auch deshalb, weil die Krankheit immer noch nicht heilbar ist und allenfalls der Verlauf verzögert werden kann. In der Medizin spricht man dann von Sekundärprophylaxe, also bei bereits bestehender Diagnose, den Verlauf der Erkrankung zu verzögern bzw. positiv zu beeinflussen. Auch hierbei spielen viele Lebensstilfaktoren eine wichtige Rolle, wie wir später noch detaillierter ausführen werden.


Alle geistigen Bereiche

Die Beeinträchtigungen durch die Altersdemenz umfassen alle geistigen Bereiche: das Denken, die Emotionen und die sozialen Fähigkeiten. Gestört ist die Sprache, die Motorik, das Identifizieren und schließlich die Exekutivfunktionen, also Planen, Organisieren und Reihenfolgen einhalten.


Am Anfang der Erkrankung stehen Störungen des Kurzzeitgedächtnisses und der Merkfähigkeit. Es beginnt mit Defiziten beim Lernen, beim Merken und dem Sprachfluss. Auch die Feinmotorik lässt in dieser Phase schon etwas nach. Man vergisst Termine, fühlt sich leicht reizbar und an unbekannten Orten alleine unsicher. Auf einem Bein stehen oder balancieren sind schon kaum mehr möglich.


Im mittleren Stadium ist das Gedächtnis schon deutlich betroffen und es folgen Störungen in der Orientierungsfähigkeit oder bekannte Personen werden nicht mehr erkannt. Immer weniger können die Betroffenen auf das
Langzeitgedächtnis zurückgreifen, so dass man auch die im Leben erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten verliert. Sie leben vermehrt in der eigenen Realität und wenn sie in Situationen kommen, die sie nicht einschätzen können, reagieren sie zuweilen aggressiv oder mit unbegründeten Ängsten. Die Menschen sind in sich gekehrt und häufig kommt es zu Verhaltens- und Wesensveränderungen.

Im fortgeschrittenen Stadium verlernen die Patienten altbekannte Fertigkeiten und erkennen auch nahestehende Personen und alltägliche Gegenstände nicht mehr wieder. Im Alltag kommt man nicht mehr alleine zurecht und benötigt pflegerische Unterstützung. Da auch die Gefühle ein Produkt des Geistes sind, sind auch diese von der Krankheit betroffen. Patienten, die vorher friedfertig waren, geraten für Außenstehende scheinbar unbegründet in Wutausbrüche. Schuldgefühle und Selbstreflexion nehmen mehr und mehr ab. Das Kauen und Schlucken fällt schwer. Und auch Bewegung fällt immer schwerer und verliert sich zuletzt komplett.

Zuerst verliert sich das Merken, dann schwindet die Orientierung und zuletzt geht das ICH verloren

3. Verlust der Beweglichkeit durch Demenz: Die Balance, das erste Opfer der Plaques

Bei der senilen Demenz richtet sich die Aufmerksamkeit im Wesentlichen nur auf den Verfall der geistigen Fähigkeiten. Doch es gibt auch den Verfall der Beweglichkeit durch Demenz. Weil es viele körperliche Ursachen gibt, warum im Alter die Beweglichkeit abnimmt, wird es als eine natürliche Begleiterscheinung angesehen und zu wenig in Zusammenhang mit der geistigen Ursache Demenz gebracht.

Ein Grund für den Verfall der Beweglichkeit im Alter ist die Kombination von Eiweißablagerungen im Gehirn (sog. Amyloid-Plaques), verminderter Neuroplastizität und mangelnder sportlicher Betätigung. Demenz und Beweglichkeit verstärken sich wechselseitig und wenn die neuronalen Netze des Gehirns im Alter gestört werden, ist die Beweglichkeit das nächste Opfer.

Bewegung geht in drei Stufen verloren:


Die zentrale Aufgabe der neuronalen Schaltkreise ist die Koordination unserer Bewegungsabläufe. Wenn diese Netze im Hirn brüchig werden, dann werden unsere Bewegungen unsicher und zögerlich. Mit fortschreitender Demenz gehen mehr und mehr Fähigkeiten, sich wie gewohnt zu bewegen, verloren. Und der Verlust der Beweglichkeit erfolgt dabei in zwei Stufen: zuerst verliert sich Fähigkeit zu koordinativ fordernden Bewegungsabläufen und erst viel später der zu Bewegungsmustern, die das Gehirn nur wenig fordern.

In drei Phasen kann man diesen Verlust der Beweglichkeit durch senile Plaques einteilen:

Am Anfang der Erkrankung geht die Balance verloren. Die Bewegungsabläufe werden zögerlich und sobald es uneben ist, wird auch das Gehen unsicher. Schon kleinere Stolperer können zu Stürzen führen und es wird immer schwieriger, einen stabilen Rhythmus zu finden und ihn dann länger zu halten.


Verlust der Balance

Im weiteren Verlauf werden Hilfen benötigt. Geländer für das Treppensteigen, ein Stock für das bloße Spazierengehen und ein Gehwagen für’s Einkaufen. Die Geschicklichkeit im Haushalt, bei der Gartenarbeit oder beim Handwerken geht verloren, bis man diese Dinge gar nicht mehr beherrscht.


Zuletzt führen die senilen Plaques zum vollkommenen Verlust, Bewegung zu steuern und die Muskeln zu koordinieren. Fort bewegen ist nur noch mit dem Rollstuhl möglich, selbstständig essen wird zunehmend unmöglich.

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