4-7. Friedrich Nietzsche

Attacke gegen die Verächter des Leibes

Den Dualismus der Kirche brachten die Philosophen des 19. Jahrhunderts wieder ins Wanken. Allen voran Friedrich Nietzsche. Seine Attacken richtete er gegen Platon und gegen die christliche Kirche gleichermaßen.


Platon, Europas „größtes Malheur“

Nietzsche stellte sich selber gerne als Überwinder dieser zweitaus­end Jahre alten Tradition dar. Er bezeichnete Platon einmal als „das größte Malheur Europas“. Denn mit Platon sei „der schlimmste, langwierigste und gefährlichste aller Irrtümer“ bisher in die Welt gekommen, nämlich „Platons Erfindung vom reinen Geiste und vom Guten an sich“. Er wandte sich gegen den Glauben an einen von Sinnlichkeit, Körperlichkeit und Willen unbefleckten Geist, welcher angeblich die absolute Wahrheit und die höchste Moral in sich verbinde.



Nietzsche dagegen sah alles Geistige und die Seele als vom Körper abhängige Phänomene an und stellte sich so in die Tradition des ganzheitlichen Denkens des Hippokrates.

Als Verächter des Leibes attackierte er Platon und das Christentum im Zarathustra:

Hinter deinen Gedanken und Gefühlen, mein Bruder, steht ein mächtiger Gebieter, ein unbekannter Weiser – der heißt Selbst. In deinem Leibe wohnt er, dein Leib ist er. Es ist mehr Vernunft in deinem Leibe, als in deiner besten Weisheit“. (Friedrich Nietzsche. Zit. a/Zarathustra)

Für den Philosophen Nietzsche gibt es keinen vom Körper unabhängigen Geist. Er ist nur ein „Phänomen“ im menschlichen Körper. Und der Körper ist dabei die große Vernunft, der Geist dagegen nur die kleine Vernunft. In seiner ihm ganz eigenen Sprache spricht Nietzsche dem menschlichen Geist und der Seele jene Unabhängigkeit ab, die ihnen Platon und das Christentum gegeben haben und läutet damit eine neue Ära ganzheitlichen Denkens ein. Seither ist also Hippokrates und die Ganzheit des Körpers wieder im Spiel und eine eigenständige Seele im Zweifel. Nicht ohne Brüche wurde in der Folgezeit dem Körper, seiner Pflege und der Ertüchtigung wieder mehr Beachtung geschenkt. Nur die Kirche hält eisern bis heute an der Trennung von Leib und Seele fest.

1742 Jahre nach der Synode zu Konstantinopel im Jahr 381 n.Chr. wäre es an der Zeit, mit einer neuen Enzyklika klarzustellen, dass die Pflege des Körpers gottgefällig und das Fleisch keineswegs als der sündige Teil des Menschen zu betrachten ist. Für die Kirche wird eine solche Kehrtwende gewiss nicht einfach werden, aber will sie sich wirklich reformieren, ist sie unausweichlich.

Im Alter wieder zum Kind werden: von den drei Verwandlungen des Geistes1

Dem Geist, für den Nietzsche keine große Hochachtung hat, macht er zur Aufgabe, unserem Leben in den einzelnen Lebensabschnitten (Kindheit, Berufsleben und Alter) einen Sinn zu geben. Wenn das Kind sein zu Ende geht und die Erwachsenenwelt beginnt, dann wandelt sich auch der Geist und mit ihm, die Art zu leben und in all den Berufsjahren werden wir vom „Du Sollst“ bestimmt. Dabei sollte es der Mensch aber nicht belassen. Nitzsche: „Drei Verwandlungen nenne ich euch des Geistes: wie der Geist zum Kamel wird, und zum Löwen das Kamel, und zum Kinde zuletzt der Löwe.“1

https://de.wikipedia.org/wiki/Also_sprach_Zarathustra


Du sollst: die Last des Lebens der Erwachsenen

Mit dem Eintritt in die Erwachsenenwelt also, belädt sich der Geist wie ein Kamel. Nach dem schweren und schwersten verlangt er und so wird er beladen mit tausendfachen „Du sollst“. Der sich entwickelnde Geist soll tragsam sein, „dem Kamele gleich, das beladen in die Wüste eilt, also eilt er (der Geist) in seine Wüste“.


Ich will: die Freiheit des Alters

Dort schließlich, in der Wüste der Alltagspflichten will der Geist aber das „Du sollst“ verwandeln in ein „Ich will“. Wenn die Mühen des Lebens von der Freiheit des Alters abgelöst werden, dann „bedarf es des Löwen im Geiste“. Neue Werte schafft diese Freiheit noch nicht, aber die Freiheit sich neue Werte schaffen zu können, das vermag der Geist des Löwen: „Freiheit sich schaffen und ein heiliges Nein auch vor der Pflicht: dazu, meine Brüder, bedarf es des Löwen“.


Ich kann’s: das Glück des Kindes

Und zuletzt, wenn der Löwe auch noch das „Ich will“ hinter sich zu lassen vermag, dann muß der Löwe auch noch zum Kinde werden: „Unschuld ist das Kind und Vergessen, ein Neubeginnen, ein Spiel, ein aus sich rollendes Rad, eine erste Bewegung, ein heiliges Ja-sagen.“

Wäre uns im Alter doch nur gegeben, wieder im Sinne Nietzsches zum Kind zu werden. Alle Pflichten und selbst alles Wollen abzuwerfen um das Glück des Kindes zu finden. Lebensglück, allein aus Freude der Bewegung. Jeden Tag wieder neu.


Zuletzt, wenn also der Mensch im Alter wieder zu Kind wird, soll er sich bescheiden und sich mit einem „absichtslosen Betrachten“ der Welt und des geschäftigen Lebens um sich herum begnügen.

1 Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra. Von den drei Verwandlungen (dtv)

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