4-6. René Descartes:

Philosophie im Bann der Kirche

Als der große mittelalterliche Philosoph René Descartes (1596 – 1650) über das Verhältnis von Leib und Seele nachdachte, war es nicht ratsam, die Kirche herauszufordern. Allerdings hatte Descartes als Mathematiker und Philosoph einen naturwissenschaftlichen Anspruch, was damals oft den Glaubenslehren zuwiderlief. Aristoteles, der sich im Gegensatz zu Platon eindeutig darin festlegte, dass es keinen vom Körper unabhängigen Geist, also keine göttliche Seele gibt, wollte Descartes, ganz im Sinne der Kirche, wissenschaftlich widerlegen.

Die Zirbeldrüse, Retter des Dualismus


Beziehungskiste zwischen Körper und Geist

Descartes wollte beim Dualismus von Körper und Geist bleiben. Für ihn waren es zwei unterschiedliche Substanzen, aber weil er erkannte, dass sich diese gegenseitig massiv beeinflussen, musste es eine Interaktion, also eine „Beziehungskiste“ zwischen dem Geistigen und dem Körperlichen geben. Diese Stelle, wo der Geist auf den Körper und umgekehrt der Körper auf den Geist einwirkt, hat Descartes schließlich im Gehirn lokalisiert und zwar genau in der Zirbeldrüse.


Wie Descartes auf die Zirbeldrüse gekommen ist, bleibt bis heute sein Geheimnis, hatte aber für ihn den entscheidenden Vorteil, sein dualistisches und mechanistisches Weltbild zu retten: alles körperliche (res extensa) unterliegt dem Irrtum und ist anzweifelbar. Einzig das Geistig-Kognitive (res cogitans) ordnet Descartes dem Unbezweifelbaren zu: „Ich denke, also bin ich“.

Vater des mechanistischen Weltbildes

Descartes gilt bis heute als Vater des rein mechanistischen Weltbildes mit fatalen Folgen. Etwa, indem er den Tieren keine eigene Seele zuerkannte. Keine Seele bedeutet kein Mitleid mit den Tieren und für die Menschen wurde es selbstverständlich, Tiere als Sachen zu behandeln. Grausame Massentierhaltung ist noch heute gängige Praxis.


In der Medizin wurde der Körper Jahrhunderte lang bloß als Maschine oder Uhrwerk betrachtet und die Heilkunde beruhte auf der Ansicht, „der Körper sei eine Maschine, Krankheit die Folge einer Panne in dieser Maschine, und die Aufgabe des Arztes sei es, die Maschine zu reparieren“1. Ganzheitliche Medizin: Fehlanzeige


Descartes ebnete mit seinem mechanistischen Weltbild in wissenschaftlicher Form den Weg, was die Kirche schon auf Glaubensbasis formulierte. Er stellte das denkende Subjekt in den Mittelpunkt, der Körper dagegen schrumpfte auf eine zu vernachlässigende Größe. In Bezug auf die Seele teilt Descartes Platons These, dass diese den Menschen erst ausmacht: „demzufolge ist die Seele des Menschen also sein eigentliches Selbst, eine denkende und keine physische Substanz“2. Dass er damit dem Bewusstsein der Menschen für Gesundheit und Körperpflege keinen großen Dienst erwiesen hat, haben die folgenden Jahrhunderte gezeigt.

1 Fritjof Capra: Wendezeit, Bausteine für ein neues Weltbild. Scherz Verlag

2 Sophie-Louise Wagner: Wie entwickelte sich das Leib-Seele-Problem von Aristoteles über Descartes? Grin Verlag

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