1-4. Die Entwicklung des Denkens

„Surfen“ auf den Netzen der Bewegung

Eine für das Gehirn entscheidende Entwicklung war in der Evolution dann die „Erfindung“ des aufrechten Gangs vor rund vier Millionen Jahren. Mit ihm erfolgte der Übergang zu den Menschenaffen und diese Wesen, die nicht mehr auf allen Vieren krochen, sondern auf zwei Beinen das Gleichgewicht halten mussten. Dazu brauchten sie ein besonders gut ausgestattetes Gehirn. Um Stabilität auf zwei Beinen zu gewährleisten bedurfte es einer wahren Explosion von neuen Schaltverbindungen und Schaltkreisen in einem dafür vergrößerten Gehirn.

Eine zweibeinige Lebensweise war für das Gehirn auch deshalb eine große Herausforderung, weil es die durch die Sinne gelieferten visuellen Informationen aus dem Untergrund und der Umgebung wie in einem Rechenzentrum in Befehle für jeden einzelnen Muskel umrechnen muss, um komplexe Fortbewegung sturzfrei abwickeln zu können. Und nachdem der Mensch mit dem aufrechten Gang einmal begonnen hat, ging es mit den Herausforderungen erst richtig los.

Seither, also seit 4 Mio. Jahren, optimiert das Gehirn den aufrechten Gang vom einfachen Gehen über das Laufen und Springen im Gelände bis hin zum Balancieren und schließlich sogar das „Gehen“ auf Händen. Die dafür entstandenen riesigen Netze machten schließlich die kognitiven Leistung möglich und man kann sagen, das heutige Denken ist eigentlich ein zufälliges Nebenprodukt der besonders komplex zu koordinierender Fortbewegung auf zwei Beinen.


Augen und Hände im Zusammenspiel

Mit dem aufrechten Gang wurden beim Menschen die Hände frei. Das Zusammenspiel geschickter Hände mit den Augen, verknüpft durch das Gehirn, machte alles möglich: den Faustkeil, das Tongefäß und das Jagen mit dem Speer.


Schließlich war es in der Evolution dann so weit: das Bewusstsein, die Sprache und das Denken konnten entstehen. Der Verstand lernte die für die Bewegung gebildeten komplexen Schaltkreise zu nutzen, sozusagen auf den neuronalen Netzen regelrecht zu “surfen”. Zuerst war das Laufen, Jagen und komplex Hantieren und danach alles Kognitive: die Wörter, das Denken, das Lernen und Merken.


Vorbereitung für die Schule

Der gleiche Vorgang, wofür die Evolution Millionen von Jahren gebraucht hat, spielt sich bei jedem Kleinkind rasend schnell ab. Durch die zunehmenden körperlichen Aktivitäten bilden und verfeinern sich die Schaltkreise des Kindes, bis sie dann für die Verstandesleistungen bereit sind.


Bewegungsstress, die Kinder leben ihn

Nach der Geburt vergehen in der Regel sechs Jahre bis zum Schulbeginn. Diese Zeit der frühen Kindheit ist davon geprägt, dass sich jene Netze im Gehirn bilden, die den Anforderungen der Schule dann genügen sollten. Bei der Netzbildung ist jeder neu zu erlernende Bewegungsablauf zur Erweiterung der Schaltkreise von Nutzen.

Der natürliche Bewegungsdrang: An jedem Spielplatz kann man es sehen: die Kinder hüpfen, klettern, balancieren und die Mütter sitzen am Rand. Noch nirgendwo hat man es umgekehrt gesehen.

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